Anfrage in Hauptansicht öffnen

Dokumente für Auswahl

Sortiert nach: Relevanz zur Anfrage

1. Bis zum Interregnum - S. 243

1910 - Leipzig [u.a.] : Kesselring
— 243 — Ihrem Beispiel folgten die Ritter. Die höfisch-ritterliche Kultur erfuhr einen schnellen Niedergang, sie wurzelte eben nicht im Volke, sondern nur in einem Stande. Die edlen Tugenden, die die Ritter üben sollten, waren vergessen. An die Stelle des vornehmen höfischen Lebens trat Willkür, Zügellosigkeit und Roheit. Die Zeiten, in denen ihrem Tatendrang in den hohenstaufifchen Heerfahrten oder in den Kreuzzügen ein hohes Ziel gesteckt wurde, waren dahin. Ritterliche Tapferkeit artete in wilde Fehdelust aus. Statt andern zu dienen und Bedrängte zu schützen, war der Ritter nur auf seinen persönlichen Vorteil bedacht. Die Arbeit verachtete er; aber er wollte ein angenehmes Leben führen. Wem die Mittel dazu fehlten, der fiel über die Bauern oder die reisenden Kaufleute her und raubte. So entartete das Rittertum zum Raubrittertum und wurde zu einer Landplage. Die Herren, die einst dem Minnesang huldigten oder sich in ritterlichen Künsten übten, führten ein Leben in „poesieloser Alltäglichkeit", befehdeten sich auch untereinander und waren sogar zu Straßenräubern geworden. Ihre Burgen, die sie mit Vorliebe aus vorspringenden Spitzen der Höhenzüge und an den Strömen errichteten, um die Verkehrswege bequem überschauen zu können, waren zu Raubnestern und Diebeshöhlen geworden. Dorthin brachten die Wegelagerer, ehe man ihnen beikommen konnte, sich und ihre Beute in Sicherheit. Für die Freigabe der Gefangenen forderten sie ein hohes Löfegeld. Keine Staatsgewalt zog sie zur Verantwortung. Gewalt ging vor Recht. Der Starke beherrschte und beraubte den Schwachen. Das war die Zeit des Faustrechts. Die unaufhörlichen Überfälle wirkten hemmend auf alle friedliche Arbeit, auf den Handel und die Bebauung des Landes. „Man fah in der kaiferlosen Zeit in vielen Gegenden keinen Bauern mehr ein Pferd treiben oder hinter einem Pfluge gehen, man fah, wie der Dichter sagt, Kirchen, Straßen, Dörser beraubt, man hörte Witwen weinen und die kleinen Waisen schreien" (Grupp). An dem wüsten Treiben der Ritter fanden dann auch die Bauern Wohlgefallen. Mancher Bauernsohn verachtete, wie die Erzählung „Meter Helmbrecht und sein Sohn" lehrt, die Arbeit in Haus und Flur; ihm erschien das zügellose Leben der Ritter viel schöner. Darum ging er zu Hofe, ließ sich unter die ritterlichen Raub- und Spießgesellen aufnehmen und lebte vom Raube, bis er gewöhnlich ein jämmerliches Ende fand. 16*
   bis 1 von 1
1 Seiten  
CSV-Datei Exportieren: von 1 Ergebnissen - Start bei:
Normalisierte Texte aller aktuellen Treffer