1893 -
Gütersloh
: Bertelsmann
- Autor: Klee, Gotthold Ludwig
- Sammlung: Kaiserreich Geschichtsschulbuecher
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
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12. Casars Kampf mit Ariovist.
Mauer, indem sie einzeln auf die Feinde lossprangen, ihnen die
Schilde Herabrissen und von oben herunter die Schwerter in
die entblößten Leiber stießen. Wahrend dadurch der linke
Flügel der Deutschen ins Wanken geriet, drang der rechte
siegreich vor und warf die Römer zurück. In dieser schwierigen
Lage brachte der Befehlshaber der seitwärts haltenden römischen
Reiterei Hülse. Er erkannte die Gefahr und befahl eigen-
mächtig, daß die dritte Schlachtreihe, die kriegsgeübten Beteranen,
zur Unterstützung des bedrängten Flügels vorrückten. Nun war
die Schlacht für die Germanen, die über keinen Rückhalt, keine
Ersatztruppen verfügten, sondern ihre ganze Kraft beim ersten
Stoße eingesetzt hatten, verloren. Nach verzweifelter Gegen-
wehr und furchtbaren Verlusten wandte sich alles zur Flucht,
dem Rheine zu. Die meisten wurden von den Verfolgern
niedergehauen; nur wenigen, besonders kräftigen, gelang cs,
über den Rhein zu schwimmen; einige retteten sich in Vor-
gefundenen Kähnen. Unter ihnen befand sich auch der ver-
wundete König. Ein am Ufer liegendes Fahrzeug entzog ihn
der nachsetzenden römischen Reiterei. Es war das erste Mal,
daß römische Soldaten die grünen Wellen des deutschen Stromes
erblickten. Ariovists Gemahlin kam in der allgemeinen Ver-
wirrung ums Leben, vielleicht durch eigne Hand. Von zwei
Töchtern wurde die eine auf der Flucht getötet, die andre
gefangen. Über den unglücklichen König selbst hören wir
nichts mehr. Wahrscheinlich erlag er seinen Wunden bald nach
dem Zusammensturz seines Glückes.
Dies war das Ende eines gewaltigen Mannes. Hätte ihm
das Schicksal einen kleineren als Cäsar entgegengestellt, vielleicht
strahlte sein Name in der Geschichte in gleichem Glanze wie
der Armins, des großen Cheruskers. So aber erscheint er
als ein wunderbares Meteor, dessen Spur mit seinem Erlöschen
völlig verschwindet. Der Preis, den Cäsar in dieser Ger-
manenschlacht im Jahre 58 vor Christus errungen hatte, war
das herrliche fruchtbare Land Gallien, das heutige Frankreich,
und der Rhein war für ein halbes Jahrtausend die Grenze
des römischen Reiches gegen die Deutschen geworden. Denn
alles linksrheinische Land nahm Cäsar in Besitz, und in den