1893 -
Gütersloh
: Bertelsmann
- Autor: Klee, Gotthold Ludwig
- Sammlung: Kaiserreich Geschichtsschulbuecher
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
16. Armin im Kampfe mit Marbod. 125
Marbod die erste Frucht seiner eigennützigen und beschränkten
Slaatskunst.
Tiberius aber hetzte heimlich die Germanen gegeneinander,
um die schon erschütterte Macht Marbods vollends zu stürzen.
Und es währte kaum zwei Jahre, bis er seinen Zweck erreicht
hatte. Durch römische Umtriebe angestiftet brach eine Em-
pörung im Lande des immer niehr gefürchteten als geliebten
Herrschers aus, an deren Spitze ein eingewanderter Gote,
der junge Katwalda, stand. Mit einer tapfern Schar nahm
er durch einen Handstreich die Königsburg ein und bemächtigte
sich hier des großen aufgespeicherten Schatzes. Als Flüchtling,
von allen verlassen, eilte Marbod an die Donau und bat den
Kaiser durch einen Brief um Gastfreundschaft. Tiberius schrieb
zurück, er solle in Italien einen sichern Aufenthalt finden;
wenn er sich aber anderswohin wenden wolle, so stehe dem
auch kein Hindernis entgegen. Vor dem Senate rühmte sich
der Kaiser, daß er diesen gefährlichen und mächtigen Mann
durch seine schlauen Künste vernichtet habe. Noch achtzehn
Jahre lebte der König, vor dem einst Rom gezittert hatte,
in Ravenna von einem römischen Gnadengehalt. So rühm-
los endete der Mann, der so großartig begonnen hatte, und
so erntete er den letzten verdienten Lohn dafür, daß er bei
allen seinen Herrscherthaten mehr seinen eigenen Vorteil als
seines Volkes Wohl bedacht hatte.
Weit früher als Marbod, wahrscheinlich im Jahre 21
nach Christus, starb der edle Armin. Seine Gegner waren
gesunken, die Deutschen sahen auf keinen größern als auf ihn,
aber diese Größe war sein Verderben. Armin hatte ein-
gesehen, daß die zersplitterten Stämme der Germanen fester
zusammengefaßt werden mußten, um den übermächtigen Fein-
den auf die Dauer widerstehen zu können. Er hatte der
Nation Freiheit und Selbständigkeit gerettet; darunl glaubte
er ihr auch einen innern Halt verleihen zu müssen, indem er
die cheruskischen Gaue zu einem starken, einheitlichen Staate
zusammenfügte. Unter seiner starken Hand wollte er sie ver-
einigen. Es war nicht Herrschsucht, die ihn dazu trieb, son-
dern die tiefste und klarste Einsicht von dem, was seinem ge-