1893 -
Gütersloh
: Bertelsmann
- Autor: Klee, Gotthold Ludwig
- Sammlung: Kaiserreich Geschichtsschulbuecher
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
21. Die Schlacht bei Adrianopel und weitere Kämpfe. 155
im Westen des Reiches, an Feldherrntüchtigkeit nicht nach-
stehe, und womöglich die Goten bezwingen, ehe Gratian ihm zu
Hülfe käme. Ebenso eifrig wünschte Frid igern eine Schlacht
zu liefern, bevor Verstärkung für die Feinde einträfe.
Am 9. August brach das kaiserliche Heer mit Sonnen-
aufgang auf, die Goten aufzusuchen. Das Gepäck ließ man
dicht bei Adriauopel zurück. Anderthalb Meilen mußten
die schwergewappneten Krieger auf schlechtem Wege im Schnell-
sckiritt marschieren, und dabei stieg die Sonne immer höher
und schien heiß herab. Es war um Mittag, als sie die
kreisförmige Wagenburg des gotischen Heeres erblickten. Unter
dröhnendem Kriegsgesang ordneten sich die Goten. Die rö-
mischen Feldherrn stellten ihre Reihen so auf, daß die Reiter
das Vordertreffen bildeten und dahinter erst das Fußvolk
stand. Da, als die Römer das Signal zum Beginn des
Kampfes jeden Augenblick erwarteten, schritt aus dem gotischen
Heerhausen eine Gesandtschaft hervor, die um Frieden bat. Dem
Kaiser erschienen aber die Gesandten nicht vornehm genug, er
verlangte, daß die edelsten Fürsten selbst kämen als Bürg-
schaft, daß das Anerbieten ernsthaft gemeint sei. Die Ge-
sandten kehrten um. Es verging wieder eine Zeit. Mittler-
weile standen die ermüdeten Legionen im Sonnenbrände hung-
rig und mit trocknen Kehlen da. Der schlaue Fridigern ver-
zögerte nämlich nur darum den Ansang des Kampfes, weil
er erst die Ankunft einer ostgotischen Reiterschar, die ihm
Hülfe zugesagt hatte, abwarten wollte. Daher entsandte er
noch einmal einen Boten, mit der Bitte, der Kaiser möchte
etliche vornehme Männer ins Gotenlager schicken, die er seinem
Volke gegenüber für Geiseln ausgebeu könnte; die Bürgschaft
dafür, daß sie unversehrt blieben, nehme er auf sich; anders
könne er den Wunsch des Kaisers nicht erfüllen. Jetzt siegte
bei dem wankelmütigen Valens die Bedenklichkeit über die Ent-
schlossenheit. Er zeigte sich bereit, wenigstens einen seiner
Großen hinübergehen zu lassen, und der kühne Richomer,
ein Franke von Geburt, erbot sich dazu freiwillig. Während
er aber auf das gotische Lager zuschritt, änderte sich plötzlich
die Sachlage durchaus. Die beiden Führer der römischen