1893 -
Gütersloh
: Bertelsmann
- Autor: Klee, Gotthold Ludwig
- Sammlung: Kaiserreich Geschichtsschulbuecher
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
166 23. Alarich, der König der Westgoten, und Stilicho.
diesen Beschluß billigten alle. In Hellen Haufen zogen sie
(395) geradeswegs aus Konstantinopel los. Rufin war in
der größten Verlegenheit; denn es fehlte ihm augenblicklich an
den nötigen Truppen. Deshalb suchte er Verhandlungen an-
zuknüpfen. Der mächtige Minister kam selbst in das gotische
Lager, und zwar, um dem Nationalstolz der Feinde zu
schmeicheln, sogar in germanischer Tracht, zeigte sich sehr nach-
giebig und sparte weder Zahlungen noch Versprechungen.
Alarich nahm die Anerbietungen an und hob die Belagerung
auf. So wandten sich die Goten von Konstantinopel west-
wärts und durchzogen die Küstenstriche von Thracien, Mace-
donien und Thessalien. Dort, wo das Gebirge dicht an das
Meer herantritt, wo einst Leonidas mit seinen Tapfern den
Hunderttausenden des Xerpes halt gebieten konnte, dort hätte
auch der Ansturm der Goten leicht aufgehalten werden können.
Allein die damaligen Griechen waren nicht mehr die Helden
von Thermopylä und Salamis. Ihrer ruhmvollen Vorfahren
uneingedenk zogen sich die dort aufgestellten Truppen, sobald
sie vom Herannahen der Goten hörten, zurück. Ungehindert
schritten diese durch die Thermopylen und ergossen sich über
die Gefilde Böotiens. Dörfer und Städte gingen in Flammen
aus; nur die starken Mauern von Theben widerstanden. Jetzt
ging der Zug gegen Athen. Alarich glaubte die berühmte
Stadt ohne große Mühe einnehmen zu können; doch war er
nicht so ungebildet, daß er die Heimatstätte so vieles Schönen
und Edlen nicht gern geschont hätte. Bevor er daher zum
Sturm schritt, erließ er die Aufforderung an die Athener,
sich zu ergeben. Gern waren diese dazu bereit; durch ein
bedeutendes Lösegeld retteten sie ihre Stadt. Feierlich ritt
Alarich, der blondlockige Germane, von einem stattlichen Ge-
folge begleitet, in die Heimat der Miltiades, Themistokles und
Perikles, in die alte glorreiche Mutterstadt der antiken Bildung
ein. Er ward ehrenvoll empfangen, ließ sich ein Bad nach
griechischer Weise bereiten, nahni ein glänzendes Gastmahl ein,
das die vornehmsten Athener ihm und den Seinen anboten,
und zog^dann/^reich mit Geschenken beladen, wieder ab. Auch