1893 -
Gütersloh
: Bertelsmann
- Autor: Klee, Gotthold Ludwig
- Sammlung: Kaiserreich Geschichtsschulbuecher
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
216 30. Theoderick der Große als Ariegsheld.
Als der Ostgotenkönig in großem Thing den folgen-
schweren Plan seinem Volke mitteilte und es um seinen Willen
befragte, da erscholl lauter Jubel. Und noch in demselben
Jahre (488) brachen die Ostgoten auf mit aller ihrer beweg-
lichen Habe, mit Weibern und Kindern, die sie auf zahllosen
Wagen mit sich führten, mit Knechten und Mägden, Rossen
und Rindern. Es mögen etwa 300000 Menschen gewesen
sein. Langsam und schwerfällig bewegte sich der Zug am
südlichen Donauufer aufwärts. Oft mußte man sich mit
dem Schwert den Weg durch räuberische Slavenhorden bahnen.
Auch die Gepiden beunruhigten die Wanderer; es kostete
schwere, blutige Arbeit sie zurückzuwerfen. Dann ging es
dem Lauf der Save entgegen. Der Winter, wo man rasten
mußte, brach herein, Hunger, Kälte und Mangel erzeugten
Krankheiten, die viele Jugendliche und Gebrechliche hinrafften.
Aus sicherem Hinterhalte brachen die Bergbewohner unauf-
hörlich hervor. Wahrlich, es war ein dornenvoller Weg,
der zum verlockenden Ziele führte. Fast ein Jahr lang
dauerte die Wanderung. Da endlich neigte sich der Gebirgs-
pfad abwärts und sie stiegen auf steilem Wege hinab zum
Flusse Jsonzo, der Italiens Grenze bezeichnete. Hier an der
Schwelle seines Hauses trat ihnen Odowaker entgegen. Es
war am 28. August des Jahres 489, als die Ostgoten in
unwiderstehlichem Ansturm die unbesiegten Scharen des tapsern
Söldnerkönigs in die Flucht schlugen und sich den Eintritt in
Italien erzwangen. Bis nach Verona zog sich Odowaker
zurück. Vor dieser Stadt, welche die Deutschen später Bern
nannten, wurde am 30. September eine zweite, noch viel
blutigere Schlacht geschlagen. Hoch zu Roß kämpfte Theoderich
im königlichen Waffenschmuck in den vordersten Reihen der
Seinigen und errang den Sieg. Und von diesem Siege und
weil er später gern in Verona weilte, führt er in der Sage
den Namen Dietrich von Bern. Nach furchtbaren Ver-
lusten stoh der Söldnerköuig nach Rom; aber treulos ver-
schloß die Stadt, der er so manche Wohlthat erzeigt hatte,
dem vom Glück verlassenen Herrscher die Thore. Noch nie
seit einem Jahrhundert hatte sich die italienische Bevölkerung