1893 -
Gütersloh
: Bertelsmann
- Autor: Klee, Gotthold Ludwig
- Sammlung: Kaiserreich Geschichtsschulbuecher
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
226 31. Theoderich der Große als Friedensfürst.
wiedergewonnen. Theoderichs Stellung glich in der That der
der alten römischen Kaiser, und er empfand dies mit freudigem
Stolze. Auf diese seine kaiserliche Würde und aus sein
kaiserliches Ansehen stützte sich auch die Schirmherrschaft, die
er über die kleineren germanischen Königreiche seines Zeitalters
ausübte. Durch Geschenke und Gesandtschaften suchte er die
Fürsten derselben an sich zu fesseln und sie durch Ver-
schwägerungen zu einer großen Familie mit ihm und unter-
einander zu verbinden. So vermählte er von seinen Töchtern
eine dem Westgotenkönige, eine andere dem Könige der Bur-
gunden, seine schöne geistvolle Schwester Amalafrida gab er
dem Wandalenkönig, seine Nichte Amalaberga dem Könige der
Thüringer zur Gattin. Leider wurde ihm kein Sohn geboren.
Seiner hochgesinnten und feingebildeten Tochter Amalaswintha
suchte er die Krone dadurch zu sichern, daß er sie einem
Angehörigen des Amalerhauses Eutharich vermählte.
So war denn Theoderich in allen Stücken das Muster eines
wohlwollenden, weisen, kraftvollen Herrschers; kein größerer und
besserer hat jemals über das Römerland Italien gewaltet als
dieser Germane. Und dennoch trübten auch seinen Lebensabend
schmerzliche Erfahrungen, wie sie so oft große Männer erleben
müssen, wenn sie sehen, wie das mühselige Werk ihres Schaffens
von feindlichen Mächten unterwühlt wird. Der geliebte Schwieger-
sohn, der tüchtige Eutharich starb in, frischesten Mannesalter,
und der greise König mußte den kühnen Bau seines weitläufigen
Reiches, das außer Italien und den umliegenden Inseln das
Alpengebiet, die Donauländer vom Rhein bis zur Save und
einen bedeutenden Teil Südgalliens, mittelbar auch das west-
gotische Spanien, umfaßte, den Händen eines Weibes und eines
Knaben, seines Enkels Athalarich, anvertrauen. Noch anderes
kam hinzu, was diesen hohen, freudigen Geist in Kümmernis
stürzte. Aber am schmerzlichsten traf ihn doch der Unvank seiner
Römer, die er seit dreißig Jahren mit allen erdenkliche» Wohl-
thaten überhäuft hatte. Hervorragende Männer traten in geheime
Verbindung mit dem oströmischen Kaiser Justinus, der als ein
fanatischer Katholik gegen die verhaßten Arianer alle Mittel für
erlaubt hielt. „Weg mit deni barbarischen Ketzer!" so hieß es,