Anfrage in Hauptansicht öffnen

Dokumente für Auswahl

Sortiert nach: Relevanz zur Anfrage

1. Die deutsche Geschichte in ihren wesentlichen Grundzügen und in einem übersichtlichen Zusammenhang - S. 453

1880 - Heidelberg : Winter
Kap. 44. § 272. Empörung der Belgier. Aufstand in Belgien. 453 Katholiken in allen seinen Staaten, die Verleihung bürgerlicher Rechte an die Juden rc., verschafften ihm den Beifall der Aufgeklärten, zogen ihm aber den Haß der Geistlichkeit, das Übelwollen des Adels und selbst die Abneigung vieler im Volke zu. Die Vorstellungen und Bitten des Papstes in Betreff der Zurücknahme vieler in die Rechte der Kirche tief eingreifenden Verordnungen waren vergebens, und selbst die persönliche Reise des Papstes Pius Iv nach Wien (1782) konnte den Kaiser zu keinem Zugeständnis vermögen. Von den eingezogenen geistlichen Gütern wurden Pfarreien und Schulen, Seminarien für Geistliche und Schullehrer, Taubstummenanstalten und dergleichen wohltätige Institute gegründet. Auch hob er in der ganzen Monarchie die Leibeigenschaft auf und stellte zwischen den Bauern und ihren früheren Herren ein billiges Verhältnis her. Übrigens verletzte Joseph die gebotene Gleichberechtigung vor dem Gesetz selbst durch eingreifende Kabinetsjustiz, durch welche er Richter und Parteien zu seinen Grundsätzen zu zwingen suchte. Denn so freisinnig er in feinen Ansichten war, so despotisch war er in seiner Handlungsweise. Der Gipfel seiner übereilten und darum unweisen Neuerungen war sein unnatürlicher Versuch, den so verschiedenen Völkern seines Reiches die deutsche Sprache und gleichförmige Verwaltungsgrundsätze mit Gewalt aufzudrängen, so daß es kein Wunder war, daß er dadurch den größten Teil seiner Untertanen, besonders die Ungarn, zur höchsten Unzufriedenheit, die Niederländer sogar zur offenen Empörung brachte. Die Niederländer hatten vermöge ihrer verbrieften Verfassung viele Rechte und Freiheiten. In diese griff Joseph auf rücksichtslose Weise durch eine neue Einteilung des Landes und durch Umänderung aller politischen, kirchlichen, ökonomischen und gerichtlichen Einrichtungen ein. Empört über eine Willkür, welche fremde Rechte nicht achtete, wenn sie mit ihrer Ansicht nicht übereinstimmten, erregten die Niederländer zuerst einen Aufstand zu Löwen, wo er die Vorrechte der Universität aufgehoben hatte und ein nicht unter der Leitung des Bischofs stehendes theologisches Generalseminar gründete. Hier wurde der Aufstand leicht unterdrückt. Darauf versagten die Stände die Geldbewilligungen, und an diesen Widerstand knüpften sich die Volkserhebungen zu Brüssel, Antwerpen, Mecheln und in andern Städten. Die Versicherungen Josephs, daß er bei jenen Veränderungen nur das Wohl der Niederländer vor Augen gehabt, halfen natürlich nichts. Da Joseph eben im Begriff war, in Verbindung mit Rußland einen Feldzug gegen die Türkei zu machen, so nahm er einige Verordnungen in Belgien zurück, in der Hoffnung das Land dadurch zu begütigen. Der Feldzug, welchen Joseph in Verbindung mit Katharina Ii 1788 unternahm, und in welchem er auch als Feldherr aufzutreten gedachte, war der zweite russisch-österreichische Türkenkrieg. Das österreichische Heer, dessen Hauptcorps Joseph in Person befehligte, betrug 200,000 Mann, bildete aber einen zu weiten Bogen, der leicht durchbrochen werden konnte. In ungeduldiger Hast rückte Joseph vor Belgrad, mußte aber von der Belagerung abstehen und wurde von den Türken in das Banats zurückgedrängt. Zwar nahmen Laudon und der Herzog von Coburg einige feste Plätze ein; da aber die Russen durch einen Einfall der Schweden verhindert waren, mit mehr Nachdruck in der Türkei aufzutreten, kam es zu einem dreimonatlichen Waffenstillstand, während dessen Joseph unmutig und unwohl nach Wien zurückkehrte. Der Aufstand in Belgien hatte sich unterdessen trotz der strengsten militärischen Maßregeln weiter verbreitet. Ein Manifest der drei flandrischen Stünde erklärte den Kaiser der Herzogswürde verlustig, die österreichischen Niederlande für unabhängig und berief einen allgemeinen
   bis 1 von 1
1 Seiten  
CSV-Datei Exportieren: von 1 Ergebnissen - Start bei:
Normalisierte Texte aller aktuellen Treffer