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1. Die deutsche Geschichte in ihren wesentlichen Grundzügen und in einem übersichtlichen Zusammenhang - S. 571

1880 - Heidelberg : Winter
Kap. 56. § 325. Der Kulturkampf. 571 aber vor allen Kaiser Wilhelm I, dem Siegreichen, der durch sein hohes Beispiel dem ganzen Heere als Muster treuster, gewissenhaftester Pflichterfüllung vorangeleuchtet, ihm denselben Geist eingehaucht und allen Teilen des Heeres die einsichtigste Führung zu geben verstanden hat. Als wahrhafter Mehrer des Reichs hat er uralte deutsche Gebiete, die uns in Zeiten der Schmach von dem räuberischen Nachbar entrissen waren, für Deutschland wiedergewonnen, hat das schwere Werk der Einigung Deutschlands zu Stande gebracht, hat das neue deutsche Reich zu einer Höhenstufe des Glanzes und der Machtfülle erhoben, wie sie dasselbe unter den mächtigsten und glänzendsten Kaisern des Mittelalters, ja selbst unter Kaiser Rotbart, welchen das deutsche Volk als Ideal deutscher Herrschermacht auffaßte und in ahnungsvoller Sehnsucht seit Jahrhunderten zurück erwartete, niemals besessen hat. Leider ist, seitdem auf dem vatikanischen Kirchenkonzil (eröffnet den 8. Dez. 1869) durch die Bemühungen der Jesuitenpartei das Dogma von der Unfehlbarkeit des Papstes durchgesetzt worden ist (18. Juli 1870), aus dem praktische Folgerungen auf alle Reichsverhältnisse gezogen werden können, ein Conflict zwischen der angestrebten mittelalterlichen Oberherrlichkeit des Papstes und dem neuen deutschen Kaisertum ausgebrochen. Während das hierarchische Regiment des durch das vatikanische Konzil begründeten Neukatholicismus, der auf das Unfehlbarkeitsdogma und die päpstliche Allgewalt begründet war, unbedingten Gehorsam von seinen Gläubigen verlangte, die Ungehorsamen excommunizirte und an die Staatsregierung das Ansinnen stellte, daß die Gebannten aus Amt und Würden entfernt würden, konnte andrerseits der Staat sich seiner Sou-veränetätsrechte nicht begeben und beließ die von ihm Angestellten in ihren Ämtern, erkannte jedoch die Notwendigkeit die Rechte des Staates gegen das hierarchische Papsttum und den diesem blindlings folgenden Episkopat, welche „einen Staat im Staat" zu bilden beanspruchten, durch schneidige Gesetze zu schirmen. So wurden zunächst in Preußen, wo der Kampf zwischen Staat und Kirche am heftigsten entbrannt war („Kulturkampf") eine Reihe von Gesetzen erlassen, durch welche das Rechtsgebiet des Staats und der Kirche genau abgegrenzt wurde, so z. B. das Schulgesetz, welches die Schule unabhängig von der Kirche stellte und das gesamte Schulwesen der Regierung überwies, ferner die obligatorische Civilehe, endlich die sogenannten Maigesetze (1873), „durch welche die Rechte und die Freiheit der Staatsbürger gegen jedes gewalttätige Vorgehen der Hierarchie mittels kirchlicher Straf - und Zuchtmittel geschützt, die Anstellung der Geistlichen von einer wissenschaftlichen Vorbildung und Prüfung abhängig gemacht und dem Staat ein Einspruchsrecht bei der Besetzung kirchlicher Pfründen eingeräumt, Streitigkeiten zwischen Bischöfen und weltlichen Behörden von einem königlichen Gerichtshof nach den Staatsgesetzen entschieden werden sollten". Nachdem darauf durch den Spruch dieses obersten Gerichtshofes 2 Erzbischöfe und andere Prälaten, welche den neuen Staatsgesetzen beharrlichen Widerstand entgegensetzten, ihres Amtes entsetzt waren, ebenso anderen renitenten Geistlichen die deutsche Staatsangehörigkeit entzogen wurde, nahm der Kampf immer mehr einen stäatsgefährlichen Charakter an; erklärte doch die civilta catholica, das Organ des damaligen Papstes (Pius Ix), geradezu: „Der Kampf wird fortdauern, so lange Preußen bestehen wird, denn es steht sein Ursprung als seine ganze Entwicklung in direktem Widerspruch mit der katholischen Kirche; Preußen ist der Haupt - und Todfeind Roms, das Hauptboll--werk des Protestantismus; mit ihm steht und fällt der Kampf der Kirche in Europa." Erst in den letzten Jahren ist die Aussicht auf einen Friedensschluß zwischen Staat und Kirche in größere Nähe gerückt, nachdem Pius Ix im Jahr 1878 gestorben und an seine Stelle der, wie es scheint, zu einer Aussöhnung mehr geneigte Papst Leo Xiii getreten ist. Nachdem schon im Jahr 1874 die Bestimmung getroffen war, daß in Zukunft Bischöfe nur dann vom Staate anerkannt werden sollten, wenn sie zuvor den Homa-gialeid geleistet hätten (d. H. daß sie die Staatsgesetze gewissenhaft beobachten und unter ihren Geistlichen und in ihren Gemeinden die Gesinnungen der Ehrfurcht und Treue gegen den König, die Liebe zum Vaterland hegen und pflegen wollten), war der erste, der diesen Eidschwur leistete, der vom König von Preußen zum Bischof der Altkatho-
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