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1. Altertum - S. 75

1908 - Münster i.W. : Schöningh
— 75 — dem Anblicke so sehr erschüttert, daß er nicht den Mut hatte, sie sitzend zu empfangen, sondern schnell Herabstieg und zuerst und am längsten seine Mutter, dann seine Gemahlin und Kinder umarmte, wobei er den Tränen und Zärtlichkeitsbezeugungen keinen Einhalt bot, sondern dem Strome seiner Empfindungen sich gänzlich überließ. Als er nun bemerkte, daß seine Mutter anfangen wollte zu reden, ließ er die Häupter der Volsker um sich herumtreten, und Bolumnia begann also: „Du siehst, mein Sohn, wenn wir es auch nicht selbst sagen, schon aus unserer Kleidung und Trauer, zu welchem Leben uns deine Verbannung genötigt hat. Bedenke nur, daß wir als die unglücklichsten aller Frauen hier erscheinen, denen das Schicksal den frohesten Anblick zum schrecklichsten gemacht, da ich meinen Sohn, diese hier ihren Gemahl vor den Mauern der Vaterstadt muß gelagert sehen. Und es ist nicht möglich, die Götter zu gleicher Zeit für das Vaterland um Sieg und für dich um Erhaltung zu bitten. Deine Gemahlin und Kinder müssen entweder auf das Vaterland oder auf dich verzichten. Ich selbst aber werde es nicht abwarten, daß das Glück diesen Krieg noch bei meinen Lebzeiten entscheide: nein, wenn ich dich nicht bewegen kann, diesen Streit, diese Uebel in Frieden und Freundschaft zu verwandeln, so mache dich bald daraus gefaßt, daß du deine Vaterstand nicht eher wirst bestürmen können, bis du über den Leichnam deiner Mutter hinweggegangen bist!" Diese Worte der Volumnia hörte Marcius an, ohne das geringste zu erwidern. Und da er nun geraume Zeit stillschweigend vor ihr stand, hob sie aufs neue an: „Warum schweigst du, mein Sohn? Ist es rühmlich, ganz dem Zorne und der Rache nachzugeben, unrühmlich aber, den Bitten einer Mutter in solchen Dingen zu willfahren? Oder geziemt ek einem großen Manne, eine erlittene Beleidigung nie zu vergessen — die Wohltaten aber, welche Kinder von ihren Eltern erhalten, zu ehren und hochzuachten, soll nicht seine Pslicht sein? Wahrlich, Dankbarkeit zu beweisen käme niemandem mehr zu als dir, der du den Undank mit solcher Härte verfolgest. An deinem Vaterlande hast du nun ja schon die schrecklichste Rache genommen, deiner Mutter hingegen noch keinerlei Dank erstattet. Deine heiligste Pflicht wäre es, eine so gerechte Bitte ohne allen Zwang mir zu gewähren — aber da ich dich nicht bewegen kann, was zögere ich noch, die letzte Hoffnung zu ergreifen?" Mit diesen Worten warf sie sich nebst seiner Gattin und seinen Kindern vor ihm nieder. Da schrie Marcius laut aus: „Mutter, wie verfährst du mit mir!" hob sie auf und preßte ihr heftig zu Hand. „Du hast," rief er, „einen für das Vaterland glücklichen, für mich aber verhängnisvollen Sieg gewonnen; von dir allein überwunden, ziehe ich von Rom ab!" Nachdem er darauf noch kurz mit Mutter und Gattin vertraulich geredet, schickte er sie auf ihre Bitten in die Stadt zurück. Am folgenden Morgen aber brach er mit den Volskern auf, und sie folgten ihm ohne
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