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1. Sagen und Geschichten - S. 54

1891 - Merseburg a/S. : P. Steffenhagen
54 Erlösung kam. Frau Hilde hatte eine zahlreiche Flotte ausrüsten lassen, auf welcher die Hegelingen und ihre Freunde, viele Tausend Mann stark, nach dem Normannenlande absegelten. Bei einer Insel in der Nähe der feindlichen Küste gingen sie vor Anker, und Ortwin und Herwig beschlossen, sich aufzumachen und über das Schicksal der entführten Frauen Erkundigungen einzuziehen. Um dieselbe Zeit standen Gudrun und Hildeburg am Gestade und wuschen, wie das bereits seit Jahren ihre Aufgabe war, die leinenen Gewänder von Gerlindens Hofgesinde. Da schwamm ein Bogel zu ihnen heran, ein Bote Gottes, zu ihrem Troste gesandt, der ihnen die frohe Nachricht brachte, daß Hilfe und Rettung nicht mehr ferne seien. Wie freute das die Vielgeplagten! Den ganzen Tag sprachen sie von nichts als von den lieben Treuen, die um ihretwillen Gefahr und Tod nicht scheuten, und hoffend und bangend warteten sie der Dinge, die da kommen sollten. Freilich versäumten sie darüber die Arbeit, so daß zorniges Schelten sie bei der Heimkehr empfing und zorniges Schelten sie am frühen Morgen wieder hinaustrieb, um barfuß und in nassen Kleidern, auf frischgefallenem Schnee und im stürmenden Märzwinde die begonnene Wäsche zu vollenden. Doch nicht lange hatten sie, zitternd vor Frost, ihrer beschwerlichen und erniedrigenden Beschäftigung obgelegen, als sich in einem Kahne Ortwin und Herwig näherten, die Jungfrauen freundlich begrüßten und sie nach Land und Leuten befragten. Während des Gespräches blickte Herwig oftmals forschend auf Gudrun, ohne indes in der ärmlichen Hülle die Königstochter zu erkennen, bis ihn Ortwins Frage nach der Entführten zu der Bemerkung veranlaßte: „Sollte die Holde noch am Leben sein in irgend einem Lande, so wollte ich schwören, diese wäre es und keine andere." Allein Gudrun schlug seine erwachende Hoffnung selbst nieder, indem sie sagte: „Auch ich bin eine von denen, die Hartmut einst geraubt hat; die ihr aber suchet, die Magd von Hegelingen, fand längst vor großem Leid den Tod." Da weinten die beiden Helden bittere Thränen, und als sich die Jungfrau nach der Ursache derselben erkundigte, streckte der Seelandskönig seine Hand aus und sprach: „Sieh, ob du das Gold erkennest, das ich an meinem Finger trage; ich bin Herwig, und mit diesem Ringe ist mir die Hehre verlobt worden." Nun konnte Gudrun nicht mehr zweifeln, wer die Ankömmlinge seien, und in hellem Jubel ries sie: „Wohl erkenne ich das Gold, denn vor Zeiten war es mein, und hier ist der Ring, den mir der Geliebte sandte, als ich noch am Hofe des Vaters lebte." Gern hätte Herwig, nachdem er die Wiedergefundene an sein Herz gedrückt, sie sofort mit sich hinweg genommen, um sie auch keinen Augenblick länger in den unwürdigen Verhältnissen zu lassen, die sie aus Treue gegen ihn
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