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1. Sagen und Geschichten - S. 72

1891 - Merseburg a/S. : P. Steffenhagen
72 ja nur östreichisch werden, und alle Bedrückungen würden ein Lnbe haben. Doch die Bauern dachten nicht daran, aus ihre ererbte Freiheit zu verzichten, und dreiunddreißig der entschlos-ftnsten Männer schwuren auf dem Rütli, einer einsam qeseqenen Bergwteie am Vierwaldstätter See, nicht ferner das ihnen auferlegte Joch zu dulden, sondern die kaiserlichen Helfershelfer zum Lande hinauszujagen. Kurz darnach ließ Geßler, der gewaltthätigste der Vögte, auf dem Markte zu Altors den östreichischen Herzogshut an einer L tan ge aufrichten und befahl, daß jeder Vorübergehende demselben feine Ehrerbietung bezeigen sollte. Auch Wilhelm Tell, an wackerer Landmann aus Bürglen in Uri, der mit auf dem Rütli gewesen, ging vorüber, aber dem Hute schenkte er nicht die mindeste Beachtung. Da berief ihn der Vogt zu sich und fragte ihn m strengem Tone, warum er seinem ausdrücklichen Gebore nicht tfolge geleistet. Tell erwiderte, es sei ohne alle Absicht geschehen und solle gewiß nicht wieder vorkommen, weshalb ihm der Landvogt gnädigst verzeihen möge. „Wohlan," sprach da der letztere, „du bist ein guter Schütze, wie ich höre; so bewähre denn deine Kunst und schieße mir einen Apfel vom Haupte deines Knaben." Tell erschrak jmd bat um Gottes willen, ihm die unnatürliche That zu erlassen und ihn lieber zu töten als zu zwingen, das Leben des geliebten Kindes zu gefährden. Doch Geßler beharrte bei seinem Verlangen und erklärte: „Nicht nur du selbst, auch dein Lohn wird sterben müssen, wenn bu meinem Befehle nicht gehorchest." Da spannte Tell die Armbrust, die Sehne ichwirrte, und der Pfeil traf glücklich den Apfel auf dem Haupte des Knaben. „Das war wirklich ein meisterhafter Schuß," sprach voll Verwunderung der Landvogt; „aber sage mir, wozu hieltest du noch einen zweiten Pfeil in Bereitschaft?" Tell gedachte, daß die Frage nichts Gutes bedeute, und gab anfangs eine ausweichende Antwort; als ihm indes Geßler Sicherheit des Lebens verhieß, bekannte er offen: „Mit diesem andern Pfeile hätte ich dein Herz durchbohrt, wenn der erste den Apfel nicht getroffen." Der Vogt erbleichte und erwiderte dann: „Deines Lebens will ich schonen, wie ich es bir versprochen; weil ich aber beinen bösen Willen gegen mich erfahren, sollst bu gebracht werben an einen Ort, wohin Weber Sonne noch Monb scheint." Zugleich befahl er lernen Dienern, Tell zu binben und auf ein Schiff zu schaffen, um ihn mit sich nach Küßnacht auf dem jenseitigen Ufer des Vierwalbftätter Sees zu nehmen und bort in einen finstern Kerker werfen zu lassen. Währenb der Überfahrt erhob sich ein heftiger £>turm, und Tell würde auf den Rat eines Dieners feiner Fesseln entlebigt, bamit er als geübter Schiffer das Fahrzeug lenke. Mit Kraft und Gefchick steuerte es dieser nach einer vvrspringenben ^elsplatte, und als er bieselbe erreicht, sprang er hinüber und
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