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1. Unser Vaterland - S. 607

1900 - Berlin : Bruer
— 607 — spätere Verordnung wies jedes Regiment an, in einem bestimmten Bezirk (Kanton, daher Kantonsystem) sich zu ergänzen. Jeder kriegstüchtige Mann konnte „enrolliert" werden, ausgenommen die Söhne von Offizieren und Adligen, die so schon auf alle Weise gezwungen wurden, Offizierstellen anzunehmen. Um recht viel Reichtum ins Land zu ziehen, sollten auch die Söhne von wenigstens 10,000 Thaler reichen Kapitalisten militärfrei sein. Allmählich wurden dadurch alle wohlhabenden Klassen von der „Kantonpflicht" frei, so daß endlich die Ergänzung der Armee nur eigenes und fremdes Proletariat war, bei dem kein vaterländisches Interesse zur Geltung kam. Das alles war aus einen Höhepunkt gelangt, der nun die Probe schlecht bestanden hatte. In der innern Verwaltung hatten sich ähnliche Mißstände heraus gebildet. Das städtische Gemeindeleben, das einst so herrlich geblüht, hatte eine städtische Aristokratie heranwachsen lassen und war erblich in den Ratsfamilien, die den Stadtsäckel verwalteten und die ärmeren Volksklassen ausbeuteten. Preußens Könige hatten dem entgegen gearbeitet und die städtische Verwaltung von der Staatsverwaltung abhängig zu machen getrachtet. Das hatte den Parteiinteressen gesteuert; aber dem Bürger war's dabei nicht viel besser geworden. Was über Wohl und Wehe der Stadt beschlossen wurde, kümmerte ihn wenig, hätte doch keiner mitreden oder etwas ändern können. Auf dem flachen Lande hatte nur der adlige Großgrundbesitz Rechte, dem der Bauer diente, über dessen Wohl und Wehe derselbe Gutsherr zu Gericht saß, der auch die Verwaltung des Kreises führte. In den höheren Instanzen lag die Verwaltung des Landes in den Händen der Beamten. Außer Adel, Offizier- und Beamtentum wußten alle übrigen Stände, sie hatten nichts mitzureden. Was sollten sie sich um Dinge kümmern, in die sie nicht den geringsten Einblick haben tonnten? Das Militär war dazu da, das Land zu verteidigen; das hatte es bisher alle Zeit gethan; warum sollte es das nicht weiter können? Was ging es den Bürger an? Für die Ordnung im Lande hatten die Beamten zu sorgen. Dafür erhielten sie ihr Gehalt, und die Bürger zahlten ihre Steuern. So allein ist es annähernd faßlich, das nur in den herrschenden Klassen das Unglück Preußens beklagt wurde und in den niedern Ständen sogar Schadenfreude laut werden konnte. Das mußte anders werden. Schon vor dem Tilsiter Frieden hatte der König seinen Minister Stein als einen „störrischen, hartnäckigen Beamten, der nur persön-
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