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1. Bd. 2 - S. 58

1911 - Leipzig : Wiegandt
— 58 — der überstolz geworbene Preuße geschlagen hatte. Durch den politischen Frieden konnte der Friebe zwischen den Gemütern nicht sogleich hergestellt werben. Dieses aber sollte gebachtes Schauspiel im Bilbe bewirken. Die Anmut und Liebenswürbigkeit der Sächsinnen überwinbet den Wert, die Würbe, den Starrsinn der Preußen, und sowohl an den Hauptpersonen als den Subalternen wirb eine glückliche Vereinigung bizarrer und wiberstrebenber Elemente kunstgemäß bargestellt . . . Die weitschweifige Periobe, in welche meine Jugeub gefallen war, hatte ich treufleißig in Gesellschaft so vieler würbigen Männer burchgearbeitet. . . Nun lernte ich bnrch Unterrebung überhaupt, durch Lehre, durch so manche wiberstreitenbe Meinung, besonbers aber durch meinen Tischgenossen, den Hofrat Pfeil, das Bebeutenbe des Stoffs und das Konzife der Behanblung mehr und mehr schätzen, ohne mir jeboch klar machen zu können, wo jenes zu suchen und wie bieses zu erreichen sei Denn bei der großen Beschränktheit meines Zustanbes, bei der Gleichgültigkeit der Gesellen, dem Zurückhalten der Lehrer, der Abgesonbertheit gebilbeter Einwohner, bei ganz unbebeutenben Naturgegenstänben war ich genötigt, alles in mir selbst zu suchen. Verlangte ich nun zu meinen Gebichten eine wahre Unterlage, Empfinbung ober Reflexion, so mußte ich in meinen Busen greifen; forberte ich zu poetischer Darstellung eine unmittelbare Anschauung des Gegenstanbes, der Begebenheit, so bürste ich nicht aus dem Kreise heraustreten, der mich zu berühren, mir ein Interesse einzuflößen geeignet war. In biefem Sinne schrieb ich zuerst gewisse kleine Gebichte in Lieberform ober freierem Silbenmaß; sie entspringen ans Reflexion, hanbeln vom Vergangenen und nehmen meist eine epigrammatische Wenbung. Und so begann biejenige Richtung, von der ich mein ganzes Leben über nicht abweichen konnte, nämlich basjenige, was mich erfreute ober quälte ober sonst beschäftigte , in ein Bilb, ein Gebicht zu verwanbeln und barüber mit mir selbst abzuschließen , um sowohl meine Begriffe von den äußern Dingen zu berichtigen, als mich im Innern beshalb zu beruhigen. . . Meine frühere Neigung zu Gretchen hatte ich nun auf ein Aennchen4) übergetragen, von der ich nicht mehr zu sagen wüßte, als daß sie jung, hübsch, munter, liebevoll und so angenehm war, daß sie wohl tierbiente, in dem Schrein des Herzens eine Zeitlang als eine kleine Heilige ausgestellt zu werben, um ihr jebe Verehrung Zu wibmen, welche zu erteilen oft mehr Behagen erregt als zu empfangen. Ich sah sie täglich ohne Hinberniffe, sie hals die Speisen bereiten, die ich genoß, sie brachte mir wenigstens abenbs bcn Wein, den ich trank und schon unsere mittägige abgeschlossene Tischgesellschaft war Bürge, daß das kleine, von wenig Gästen außer der Messe besuchte Haus seinen guten Ruf wohl tierbiente. Es fanb sich zu mancherlei Unterhaltung Gelegenheit und Lust. Da sie sich aber aus dem Hause wenig ent- fernen konnte noch bürste, so würde benn boch der Zeitvertreib etwas mager. Wir sangen die Lieber von Zachariä, spielten den „Herzog Michel" von Krüger, wobei ein zusammengeknüpftes Schnupftuch die Stelle der Nachtigall vertreten mußte, und so ging es eine Zeitlang noch ganz leiblich. Weil aber bergleichen Verhältnisse, je unschulbiger sie sinb, befto weniger Mannigfaltigkeit auf die Dauer gewähren, so luarb ich von jener bösen Sucht befallen, die uns verleitet, aus der Quälerei der Geliebten eine Unterhaltung zu schaffen und die Ergebenheit eines Mäbchens mit willkürlichen und tyrannischen Grillen zu beherrschen. Die böse Laune über das Mißlingen meiner poetischen Versuche, über die anscheinenbe Unmöglichkeit, hierüber ins klare zu kommen, und über alles, was mich hie und ba sonst kneipen mochte, glaubte ich an ihr auslassen zu bürsen, weil sie mich wirklich von Herzen liebte *) Käthchen Schönkopf, von G. Aennchen genannt.
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