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1. Bd. 2 - S. 483

1911 - Leipzig : Wiegandt
- 483 — selben sucht. Der Kaiser der Franzosen hat mit dem Plebiscit nicht die gewünschte Garantie erreicht, er macht einen letzten Coup und spielt va banque. Er täuscht die Meinung seines Volks, dessen Ehre er als von Preußen angetastet hinstellt, reizt dasselbe durch Zeitungen und bezahlte Manifestationen auf, und dieselben Leute, die seiner Zeit vive Rochefort schrien, brüllen heute vive la France und vive la guerre. Dieser Krieg ist auf alle Fälle unheilbringend für Frankreich! Siegen die Franzosen, so steht der Kaiser wieder groß da und nimmt ihnen den letzten Schein von Freiheit; siegt Preußen, so wird sofort Revolution in Paris ausbrechen, das Volk wird zu sich kommen und erkennen, daß es sein Blut nur für die selbstischen Zwecke dieses Despoten vergossen hat. Wie anders ist die Stimmung in Deutschland zur großen Enttäuschung der Franzosen! Den Krieg abwehrend vermittelte Preußen die Abdankung des Prinzen von Hohenzollern, indeß weitere Forderungen zurückweisend, vertheidigt es nur sein gutes Recht, und dafür steht ganz Deutschland ein. Es wird eine schauderhafte Metzelei werden, und obgleich ich Frankreichs Macht nicht unterschätze, so habe ich doch großes Vertrauen in den guten Geist und die Disciplin in unserer Armee, welche der französischen moralisch und physisch überlegen. Die Zuaven, auf welche die Franzosen viel bauen mit ihren Bayonetten und die im Handgemenge ganz gut sein mögen, werden gegen die feuerspeienden Mauern der Preußen nichts ausrichten. Ich habe herzzerreißende Scenen mit angesehen. Brüder und Freunde, Gatten und Verlobte, die sich von ihren Lieben trennten, über 8000 Deutsche eilten zu ihren Fahnen. Und welche musterhafte Haltung! Sachsen, Bayern, Frankfurter, Hannoveraner folgten dem Rufe mit stiller Begeisterung und freudiger Entschlossenheit. Ja, in diesem Augenblick schämte ich mich, daß ich nicht auch mitging, und konnte kaum die Blicke auf meine Riesengestalt ertragen, wenn ich antworten mußte, daß ich nicht Soldat sei. Geht aber einmal die Not an den Mann, so stelle ich mich mit Herz und Hand dem Vaterlande und trete zu einem Freicorps. Obgleich im Aeußern vielleicht etwas französisch geworden, so bleibe ich doch mit Leib und Seele deutsch. Wir müssen übrigens höchst zurückhaltend auftreten, da bereits mehrere Deutsche, die etwas vorlaut waren, insultirt wurden, und auf alle Fälle unsere Stellung hier eine höchst unangenehme wird, so daß meines Bleibens hier nicht für die Dauer sein kann. Glücklicherweise sind die Preußen bereits über den Rhein, und deutsches Land wird geschont." b) Brief eines Leipzigers aus England. „Bradford, 20. Juli 1870. Liebe gute Eltern! Ich traf hier glücklich am Montag Mittag ein. Ich beeile mich Euch dieses zu melden und muß gleichzeitig meinem Herzen Luft machen und die Eindrücke, die ich seit meinem Eintreffen hier fühlte, Euch schildern. Bei meinem Eintreffen war das Erste, was ich vernahm, daß der hiesige Schillerverein den jungen zur Fahne eilenden Deutschen ein Festbanket veranstaltet habe. Abends 8 Uhr versammelte sich das deutsche Völkchen Bradfords im Schillerverein , wo an langen Tafeln ca. 200 alte und junge Deutsche traulich und ernst zu gleicher Zeit beisammen saßen. Als Alles sich versammelt hatte, öffnete sich die Thür und 17 junge Leute (worunter einige freiwillig gehen), geführt vom Präsidenten, schritten nach dem Kopfende der mittelsten Tafel, wo man ihnen geschmückte Plätze reservirt hatte. — Alles erhob sich, unter donnerndem Applaus schritt die junge Schaar durch den Saal, und nicht eher hörte das Hurrahrufeu auf, bis Alle ihre Plätze eingenommen hatten. — Die Stimmung war eine ernste, sehr gedrückte. Jeder fühlte und 31*
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