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1. Von Heinrich IV. bis Rudolf von Habsburg - S. 54

1893 - Dresden : Bleyl & Kaemmerer
— 54 — des Reiches als Preis für die Lösung bezahlt. Denn durch seine Buße in Canossa hat er vor aller Welt bekannt, daß der römische Bischof das Recht habe, ihn, den Kaiser, abzusetzen, daß der von den römischen Priestern gewählte römische Oberpriester mächtiger und höher sei, als der rechtmäßige Erbe der Krone Karls des Großen, des römischen Kaiserreiches deutscher Ration, der seitherigen höchsten Gewalt in der Christenheit. Und überdies war jener Gewinn nur vorübergehend und konnte jeden Tag durch ein neues Ereignis zerstört werden; der Schade und Verlust aber, mit dem Heinrich den Gewinn bezahlt hatte, war dauernd und unersetzlich. Der Gedanke an die Buße und Schmach des deutschen Kaisers in Canossa brennt noch heute jedem guten Deutschen aus der Seele. So erscheint zwar Heinrich in Canossa einerseits als Sieger über den Papst und die Fürstenverschwörung, andrerseits aber als ein vorn Papst Besiegter; doch die Niederlage ist weit größer und folgenschwerer als der Sieg. Sollen wir Heinrich deswegen als Beschimpfer der Kaiserkrone verurteilen? Gewiß nicht; denn er handelte ja in dem guten Glauben, daß er im Banne nimmermehr das Reich sich und seinem Hause erhalten könne, daß er nur durch die Lösung des Bannes die von den Empörern niedergeworfene Königsmacht wieder aufrichten könne; die Demütigung vor dem Papst faßte er aber — wenigstens anfangs — nur als persönliche Demütigung auf, die jeder Christ ohne Schande dem Oberhaupt der Kirche bieten könne. Darum dürfen wir den durch den Bann und dessen furchtbare Wirkung geängstigten König nicht verurteilen (denn was gilt uns evangelischen Christen ein Bannstrahl Roms!), sondern wir müssen vielmehr die Klugheit und Willensfestigkeit anerkennen, die Heinrich auch in Canossa bei der Durchführung feines Planes zeigte, müssen die Selbstbeherrschung loben, mit der er zum Wohl des Reiches die körperlichen Qualen und die Gefühle seines Herzens (Stolz, Scham, Grimm) niederkämpfte, und können nur bedauern, daß er keinen ehrenvolleren Ausweg aus feiner Not gefunden hat. Wohl war er mit schuld an seiner Not (freilich die Fürsten noch viel mehr), aber fein Unglück in Tribur und Canossa war größer als seine Schuld, und besonders wird die Schmach von Canossa auch auf feiner Seele gebrannt haben, wie ein unauslöschliches Feuer. Für Gregor. Wohl scheint der Papst zunächst als der Überwundene, da er von Heinrich gegen feinen Willen und zu feinem Schaden zur Lösung des Bannes gezwungen wurde. Aber in Wirklichkeit und in der Hauptsache steht doch der Papst in Canossa als mächtiger Sieger da, der mit feinem Bannstrahl den mächtigsten Herrscher der Christenheit in den Staub niederwirft und ihn nach Gutdünken wieder erhebt, und der feinen großen Plan (die Kirche zur Herrin der weltlichen Gewalt zu machen) durch die öffentliche Erniebrigung des Kaisers ein gut Stück weiter gesörbert hat. Darum hat der Papst alle Ursache sich seines Erfolges zu freuen, und boch ist er nicht ganz zufrieben; benn der höchste Triumph, auf den er gehofft hat, in Deutfchlanb selber als oberster Schiebsrichter und als Inhaber aller geistlichen und welt-
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