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1. Von Heinrich IV. bis Rudolf von Habsburg - S. 196

1893 - Dresden : Bleyl & Kaemmerer
— 196 — fürsten losmachen. Besonders schlimm waren die ärmeren Ritter, deren einziger Berns das Kriegshandwerk war, und die nun unbegehrt auf ihren Burgen saßen und sich oft kümmerlich von dem geringen Ertrag ihrer Äcker ernähren mußten. Sie lauerten am liebsten den kostbaren Warenzügen der Kaufleute auf, die zu Wasser oder zu Land von einer Handelsstadt zur andern gingen. Plötzlich brachen sie aus dem Hinterhalt, machten die bewaffneten Begleiter nieder und führten die erbeuteten Waren und die gefangenen Kaufleute auf ihre Burg. Bald galt es als adliges Handwerk, so „vom Stegreif" zu leben. So wurden die meisten Burgen Raubnester und die Ritter Raubritter. Die Städte wehrten sich natürlich nach Kräften gegen diese Räubereien, zerstörten mit Kriegsmacht solche Raubnester und hingen die Räuber an den Galgen. So entstand in Deutschland ein Krieg aller gegen alle, wie er niemals zuvor dagewesen war. Jeder half sich, wie er konnte, gegen seine Feinde; bald übte er Gewalt, bald litt er Gewalt, bald war er Hammer, bald Amboß. Recht und Gericht, Gesetz und Ordnung war völlig verschwunden; die Schwachen und Wehrlosen, besonders die Bauern, wurden beraubt und mißhandelt, für sie gab es kein Recht und keinen Richter; nur wer die Gewalt hatte, hatte auch das Recht. Darum wird diese jammervolle Zeit auch die Zeit des „Faustrechtes" genannt. Erläuterung; Überschrift. Ii b. Gab es denn damals keine Gesetze in Deutschland, durch die alle jene Gewaltthaten bei schwerer Strafe verboten waren? Gewiß (Heinrichs Iv. und Friedrichs I. Landfriedensgesetze), aber es fehlte der Mann und die Macht, die stark genug gewesen wären, um das Halten dieser Gesetze zu erzwingen und die mächtigen Übelthäter zu bestrafen. Darum walteten die blinden Begierden der Mächtigen (Habgier, Raubgier, Rachgier, Herrschgier) ohne Scheu und Schranken, darum maßte sich jeder Unterthan das Fehderecht oder das Recht der Selbsthilfe an, darum herrschte das Faustrecht, und darum kam die „schreckliche" Zeit, in der sich Deutschland selbst zerfleischte, in der unser schönes Vaterland zu einem einzigen großen Schlachtfeld wurde und zu einer ausgeplünderten Trümmerstätte, aus der nur die festen Burgen und die ummauerten Städte unversehrt emporragten. Und das unermeßliche Elend hatten die herrschsüchtigen Fürsten und Herren dem Vaterland und auch sich selbst bereitet; sie hatten sich selbst die Zuchtrute gebunden, mit der sie gestraft wurden. Denn sie hatten geflissentlich Kaiserrecht und Kaisermacht geschwächt und verachtet, und nun waren sie wohl den Herrn und Aufseher los, aber zugleich auch den Schützer und Helfer, der ihr gutes Recht verteidigte und wahrte. Am meisten empfunden wurde dies Elend der Rechtlosigkeit natürlich von den Schwächeren und Ärmeren (kleinen Stadt- und Landgemeinden), die zur Selbsthilfe nicht stark genug waren; aber schließlich mußten doch alle unter dem Faustrecht leiden, da Handel und Wandel, Handwerk und Ackerbau immer mehr zurückgingen und zum Teil ganz aufhörten.
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