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1. Die vorchristliche Zeit - S. 46

1877 - Leipzig : Brandstetter
46 dem Olymp, streckte die goldene Wage vor und legte zwei Todesloose hinein, das eine für den Peliden, das andere für Hektor. Dann faßte er die Wage in die Mitte und wog; da sank Hektors Wagschale tief nach dem Hades zu, und augenblicklich verließ Phöbus Apollo seine Seite. Zu Achilles aber trat Pallas Athene, die kriegerische Göttin, und flüsterte ihm in's Ohr; „Steh' und erhole dich, während ich jenem zurede, dich kühn zu bekämpfen." Achilles lehnte sich, der Göttin gehorchend, auf seinen ehernen Speer, sie aber, in der Gestalt des Deiphobos, trat ganz nahe zu Hektor und sprach zu ihm: „Ach, mein älterer Bruder, wie bedrängt dich der Pelide! Wohlan, laß uns Stand halten und ihn abwehren!" Freudig aufblickend, erwiederte Hektor: „Du warst immer mein trautester Bruder, Deiphobos, jetzt aber liebt dich mein Herz noch mehr, daß du dich herauswagst aus der Stadt, während die Andern alle hinter der Mauer sitzen." Athene winkte dem Helden zu und schritt, die Lanze gehoben, ihm voran, dem ausruhenden Achill entgegen. Diesem rief Hektor zuerst zu: „Nicht länger entfliehe ich dir, o Pelide, mein Herz drängt mich, dir Stand zu halten, daß ich dich tödte oder selber falle! Laß uns aber bei den Göttern schwören: wenn mir Jupiter den Sieg verleiht, werde ich dich nimmer mißhandeln, sondern die Leiche deinen Volksgenossen zurückgeben, nachdem ich dir die Rüstung abgezogen habe. Ein Gleiches gelobe auch mir." „Nicht von Verträgen geplaudert!" erwiederte finster Achilles. „So wenig ein Hund zwischen Menschen und Löwen Freundschaft stiftet, so wenig zwischen Wölfen und Lämmern Eintracht ist, so wenig wirst du mich dir geneigt machen, und Einer von uns muß blutig zu Boden stürzen. Nimm deine Kunst zusammen; du mußt Lanzenschwinger und Fechter zugleich sein. Doch du wirst mir nicht entrinnen; das Leid, das du mir und den Meinigen gethan, sollst du nun auf einmal büßen!" So schalt Achilles und schleuderte die Lanze. Doch Hektor sank schnell in's Knie und das Geschoß flog über ihn weg in die Erde. Hier faßte es Athene und gab es dem Peliden, unbemerkt von Hektor, zurück. Mit zornigem Schwünge entsandte nun Hektor auch seinen Speer, und dieser fehlte ihn nicht, er traf mitten auf den Schild des Achilles, aber prallte auch davon ab. Bestürzt sah sich Hektor nach seinem Bruder Deiphobos um, denn er hatte keine zweite Lanze zu versenden. Doch dieser war verschwunden. Da wurde Hektor inne, daß es Pallas Athene war, die ihn getäuscht hatte. Wohl sah er ein, daß das Schicksal ihn jetzt fassen würde; so dachte er nur darauf, nicht ruhmlos in den Staub zu sinken. Er zog sein gewaltiges Schwert von der Hüfte und stürmte, in seiner Rechten es schwingend, wie ein Adler daher, der auf ein Lämmlein herab-- chießt. Der Pelide wartete den Streich nicht ab; er drang von seinem Schilde gedeckt vor, sein Helm nickte, die Mähne flatterte und sternhell strahlte sein Speer, den er grimmig in seiner Rechten schwenkte. Sein Auge durchspähete den Leib Hektors, forschend, wo etwa eine Wunde haften könnte. Da fand er Alles blank von der Rüstung umhüllt: nur wo Achsel
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