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1. Die neue Zeit - S. 289

1877 - Leipzig : Brandstetter
289 sie unabhängig gemacht werden. Keine päpstliche Bulle durfte mehr ohne vorhergegangene Genehmigung des Kaisers verkündigt werden, auf daß der Staat vor den Uebergriffen des römischen Hofes geschützt sei. Von den 1443 Mönchs- und 623 Nonnenklöstern im österreichischen Staate hob Joseph 700 auf und ließ nur solche fortbestehen, die sich mit dem Unterricht der Jugend oder mit der Krankenpflege beschäftigten. Nicht länger sollten dem Staate viele Tausende von Menschen entzogen werden, welche bisher in einem für heilig gehaltenen Müßiggänge gelebt hatten. Die Güter der aufgehobenen Klöster ließ Joseph einziehen und zu gemeinnützigen Anstalten verwenden, nämlich zur Gründung neuer Volks - und gelehrten Schulen, zur Herstellung von Hospitälern, Waisenhäusern, Findelhäusern und ähnlichen Anstalten. Die Messe mußte in deutscher Sprache gesungen werden, wozu der österreichische Dichter und Gelehrte Michael Denis geistliche Lieder verfaßte. Die heilige Schrift wurde in die Landessprache übersetzt; die Wallfahrten, so häufig ein Anlaß zu großer Unsittlichkeit, wurden abgeschafft. Solche durchgreifende Maßregeln des Kaisers erregten die größte Besorgniß bei der Geistlichkeit, besonders des römischen Hofes. Da machte sich 1782 der Papst Pius Vi. auf den Weg und fuhr nach Wien, um durch sein persönliches Ansehen und seine Ueberredungen denkaiser von seinen Neuerungen zurückzuhalten. Joseph Ii. empfing das Oberhaupt der katholischen Kirche mit der größten Feierlichkeit und Höflichkeit, ließ sich aber auf keine Unterhandlungen ein und der Papst mußte unverrichteter Dinge wieder abziehen. 9. Kaiserliche Worte und Thaten. In der Verwaltung des Staatswesens wollte Kaiser Joseph blos höchster Verwalter des Staates sein. Deshalb litt er keine Unterhändler und Vermittler zwischen sich und dem Volk. Vor der Thür des Kabinets, in welchem er vom frühen Morgen bis spät in die Nacht arbeitete, standen immer viel Leute jedes Standes, denn Jeder durfte frei zu dem Kaiser kommen und mit ihm reden. Da ging Joseph von Stunde zu Stunde hinaus, nahm ihnen ihre Bittschriften ab und führte sie auch wohl in sein Zimmer, daß sie ihm Alles sagten, was sie auf dem Herzen hatten. Schon seine edle Mutter hatte große Verbesserungen eingeführt, vornehmlich die Abschaffung der Folter, der Hexenprozesse und der Inquisition. Joseph erwarb sich ewigen Ruhm, indem er die so lange unterdrückten Juden durch Bildung und Recht den übrigen Staatsangehörigen in Oesterreich gleichzustellen suchte und indem er 1781 die Leibeigenschaft der Bauern aufhob. Dabei sprach er die echt kaiserlichen Worte: „Es ist ein Unsinn, zu glauben, daß die Obrigkeit das Land besessen habe, bevor es noch Unterthanen gab." Zum Beweise, wie hoch er den Bauernstand ehrte, trat er einst auf einer Reise durch Mähren zu einem Bauer, der auf dem Felde pflügte, ergriff den Pflug und ackerte selbst eine Strecke Landes. Die mährischen Stände bewahrten diesen Pflug, den des Kaisers Hand geführt hatte, zum Andenken. Grube, Geschichtsbilder. Hi. 19
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