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1. Die neue Zeit - S. 363

1877 - Leipzig : Brandstetter
I 363 4. Um den König ganz in ihre Gewalt zu bekommen, hatten die Freiheitsmänner von Paris den Plan entworfen, ihn für immer nach Paris zu bringen. Orleans und seine Helfershelfer schlossen sich dieser Partei an und erregten durch künstliche Mittel eine Brodtheuerung, indem sie die Kornwagen unterwegs auffingen. Nun wurde ausgesprengt, der König und die Aristokraten (so nannte man die Hofpartei) wollten Paris aushungern. Am 5. Oktober sammelte sich vor dem Rathhause eine Menge Weiber, mit Aexten, Spießen und Säbeln bewaffnet; die Fischweiber, „die Damen der Halle" genannt, spielten die Hauptrolle, aber auch Männer in Weiberkleidern sah man unter ihnen. Orleans hatte sie mit Geld und Branntwein beschenkt, das Rathhaus wurde erstürmt, die Waffen von den Weibern in Beschlag genommen. Nachdem sie getobt und gelärmt hatten, hieß es: „Nach Versailles I nach Versailles!" Ein Lumpenkerl, mit Namen Maillard, stellte sich an ihre Spitze und so brachen sie nach Versailles auf. Lafayette, der aus dem nordamerikanischen Freiheitskriege wohlbekannte Held, bot die Nationalgarde aus, um dem Pöbel Einhalt zu thun; aber die Nationalgardisten zwangen ihn selber, sie nach Versailles zu führen. „Wir kämpfen nicht gegen verhungerte Weiber I" riefen sie drohend. Schon war der Abend eingebrochen und der Regen goß in Strömen herab; aber das hinderte den Haufen nicht, mit 20 Kanonen abzuziehen. Die Weiber waren schon um Mittag in Versailles und mit Gesang und Trommelschlag zogen sie in die Nationalversammlung. Maillard, den bloßen Säbel schwingend, mit einem Weibe neben sich, welches an einer langen Stange eine Trommel trug, hielt im Namen des Volkes eine Rede. „Wir haben kein Brod," rief er, „wir wissen, der König und seine Minister sind Verräther; aber der Artn des Volkes ist erhoben, sie zu zerschmettern!" Die Worte würden von seinen Begleitern mit den heftigsten Drohungen gegen den König und die Königin begleitet. Darauf brang die ganze Rotte der Weiber tobenb und lärmenb in den Saal und mischte sich unter die Abgeorbneten, Ein Weib bemächtigte sich sogar des Präsibentenstuhles und ahmte mit der Glocke in der Hctnb die Verrichtungen des Präsibenten nach. Dann holten sie Lebensmittel und Wein herbei, tranken und sangen, fluchten und schimpften wilb durch einanber und erstickten fast mit ihren Liebkosungen mehrere der Abgeorbneten. Die Versammlung suchte sie zu beruhigen und der Präsibent selbst führte einige in's Schloß zum Könige. Dieser gab ihnen die gütigsten Versprechungen, ja umarmte sogar eines dieser Weiber, weil sie ihm nur unter dieser Bebingung glauben wollten. Dann lagerten sie sich wie Soldaten auf dem großen Parabeplatze, zünbeten Feuer an, tranken und fangen um die Wette. Gegen Mitternacht traf auch die Pariser Nationalgarbe ein. Der eble Lafayette, welcher sowohl ein Freund der Freiheit, als voll Rechtlichkeit und Ehrliebe war, hatte Alles aufgeboten, um fernere Ausbrüche der rohen Leibenschaften zurückzuhalten. Er hatte zuvor den Haufen
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