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1. Quellenbuch - S. 56

1885 - Leipzig : Brandstetter
- 56 — Zu wehren wußte. Denn als das Verderben herankam, ermahnte er jeden einzelnen der Vasallen, befahl den stärkeren Brüdern, sich zu bewaffnen und ermutigte die Hörigen. Er selbst that das Stahlkleid an, zog die Kutte und Stola darüber und befahl den Brüdern, ebenso zu thun. Es wurden Speere gefertigt und Brustpanzer aus dicker Leinwand, Schleudern wurden geschnitzt, feste Bretter und Weidengeflecht zu Schilden gemacht, Sparren und Stangen gespitzt und am Feuer gehärtet. Aber im Anfange glaubten mehrere Brüder und Dienstleute dem Gerücht nicht und wollten nicht fliehen. Es wurde aber doch ein Platz ausgesucht, der auf schmalem Berghals durch abgehauene Pfähle und Baumstämme umschanzt wurde, und es entstand eine sehr feste Burg. Eilig wurde der notwendige Bedarf dorthin gebracht und schnell eine Kapelle gebaut. In diese wurden die Kreuze und die Verzeichnisse der Spender geschafft und dazu fast der ganze Schatz der Kirche, außer den Büchern, welche auf den Gestellen standen. Diese hatte der Abt nach Reichenau gesendet. Die Alten mit den Knaben gab er unter Aufsicht des Thieto nach Wasserburg. Die Späher strichen bei Tag und Nacht auf wohlbekannten Pfaden und verkündeten die Ankunft der Feinde, damit man in die Verfchanznng fliehe; aber die Brüder hielten zu sehr für unmöglich, daß der heilige Gallus jemals von den Barbaren überfallen werden könnte. Engelbert selbst war dieser Meinung und trug fast zu spät die wertvollsten Sachen des heiligen Gallus in die Burg. Die Feinde zogen nicht gesammelt, sondern brachen in Schwärmen über Städte und Dörfer, weil niemand widerstand, raubten und brannten aus und sprangen unerwartet gegen Sorglose, wo sie gerade wollten. Auch in den Wäldern lagen ihrer zuweilen hundert oder auch weniger, um hervorzubrechen. Nur der Rauch und der rote Feuerschein am Himmel verrieten, wo gerade die Haufen waren. Es war aber damals unter den Unfern ein recht einfältiger und närrischer Bruder, dessen Rede und Thun oft belacht wurde, mit Namen Heribald. Ihn mahnten die Brüder, als sie nach der Burg flohen, daß auch er fliehe. Er aber sprach: „Meinetwegen fliehe, wer will; ich aber werde niemals fliehen, denn mir hat der Kämmerer in diesem Jahre kein Leder zu Schuhen gegeben." Da'ihn aber die Brüder in der letzten Not mit Gewalt zwingen wollten, mit ihnen zu weichen, so sträubte er sich sehr und erklärte, niemals den Weg zu machen, wenn ihm nicht sein jährliches Leder in die Hand gegeben würde. Und so erwartete er furchtlos die eindringenden Ungarn. Endlich flohen fast zu spät die Brüder mit anderen Zweiflern, durch den Schreckensruf gescheucht: „Die Feinde dringen heran." Heribald aber spazierte müßig auf und ab. Da brachen die köchertragenden Ungarn ein, mit Wurfspeer und Lanze drohend. Eifrig suchten sie überall, kein Geschlecht oder Alter hatte auf Erbarmen zu hoffen. Da fanden sie den Bruder allein, der furchtlos in ihrer Mitte stand. Sie wunderten sich, was er hier wollte und warum er nicht geflohen war. Die Führer befahlen den Mördern, seiner noch mit dem Eisen zu schonen, und frugen ihn durch Dolmetscher, und als sie merkten, daß er ein großer Narr war, schonten sie lachend seiner. — Den steinernen Altar des heiligen Gallus hüteten sie sich zu zerwerfen, weil sie sich früher häufig durch ähnliche Ver-
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