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1. Kriegsbuch für die Jugend und das Volk - S. 100

1916 - Stuttgart : Franckh
100 herausgemacht hatte. Und er setzte hinzu: „Es ist ein altes Sprichwort: die kleinen Diebe hängt man, die großen läßt man laufen." Von nun ab ereignete es sich, daß seitab des Wegs irgendwo im Gestrüpp noch der aufgetriebene Kadaver eines Gaules die stelzigen Beine emporreckte oder daß gar noch der Leichnameines Gefallenen nubeerdigt im Graben lag. Die Kolonne fnhr daran vorüber. Es war nicht ihres Amtes, die Toten zu begraben. Dagegen hatte matt jetzt die geladenen Karabiner schußbereit im Arm. Es hieß, versprengte Kosaken trieben sich noch in den Wäldern herum, feuerten ans dem Hittterhalt und hätten es besonders ans Einzelreiter abgesehen. Daun ritten der Koloitne stets einige Unteroffiziere voraus, sie suchten die Gegend ab und wollten mitunter auch einen Feind erblickt haben. Um diese Zeit setzten unablässige Regengüsse ein. Die zerfahrenen Straßen weichten auf, und die Pferde bekamen harte Arbeit. Die schweiß-bedeckten Gespanne dampften, das Wasser rann tn kleinen Bächen von den Wagenplanen herunter, und die Leute saßen in die nassen Mäntel gehüllt frierend im Sattel oder auf den Fahrzeugen. Sie fuhren einander grob an, und bisweilen hatten die Gäule das schlechte Wetter und die üble Laune zu entgelten. Alt einem solchen Regentage wurde der Le-bensmittelwagen des Peter Grins von einem Truppenauto von rückwärts angefahren. Der Stoß warf das Handpferd sogleich zu Boden. Ein Generalstabsmajor sprang aus dem Kraftwagen und ranuzte Peter an: „Warum fahren Sie nicht rechts, Sie Tranlampe?!" Grins war aus feiner Schoßkelle geklettert, statt!) stramm und wies stumm auf die Räder seines Gefährtes, die ganz dicht am rechten Gra-benratw standen. „Dann find Sie schuld," wandte sich der Major an seinen Wagenlenker. „Herr Major verzeihen, der Wagen geriet ins Schleudern." „Hm. Na, helfen Sie nur Ihrem Schimmel wieder auf die Beine und sehen Sie, daß Sie nachkommen!" Das Auto hatte keinen Schaden genommen und flitzte davon. Peter aber besah sich unmutig die Bescherung und kratzte sich nachdenklich den Kopf. Der Schimmel hatte sich zwar nach einer Weile von selbst wieder aufgerappelt, aber er stand auf drei Beinen da und konnte vorn rechts nicht auftreten. Der Wachtmeister der Kolonne war zu dem Wagen umgekehrt. „Schöne Geschichte!" schimpfte er. „Wir haben kein einziges Pferd mehr in Reserve, vier Reitpferde sind schon eingespannt. Will mal sehen, daß ich den Fahnenschmied erwische." Er galoppierte der Kolonne nach und kam nach kurzer Zeit zurück. Er hatte Glück gehabt und brachte sogar den Roßarzt mit, der gerade beim Rittmeister herangeritteit war. Der Veterinär untersuchte den Schimmel. „So ein Schafskopf, dieser Chauffeur!" schalt er. „Der Gaul ist hin. Nehmen Sie ihm das Kummet und das Zaumzeug ab, Gefreiter!" Grins begriff nicht so rasch, wo das hinaus sollte, aber er hob gehorsam feinem Schimmel das Kummet über'n Kopf und streifte ihm die Zänmung über die Ohreu. Wie er das Zeug zum Wagen trug, verwickelten sich die Leinen, und er hatte schnell daran zu ordnen. Plötzlich knallte hinter ihm ein Schuß. Peter schaute sich um und sah just noch den Schimmel im Straßengraben zusammenbrechen. Der Roßarzt hielt den Revolver in der Hand, von dessen Müudung ein dünner Rauchfaden sich loslöste. Er hatte gut getroffen: das Pferd zuckte noch einmal und lag danach steif und still. „Werden Sie denn einspännig weiterkommen, Grins?" fragte der Wachtmeister. „Ich glaube nicht, Herr Wachtmeister," antwortete Peter. „Der Weg ist zu schlecht." „Im Schritt wird's schon gehen. Versuchen Sie's nur! Das Quartier kann nicht mehr weit fein, ich nehme den Königsberger mit und schick' ihn dann mit Vorspann zurück. Verstanden?" „Zn Befehl, Herr Wachtmeister." Der Feuerwehrmann reichte dem Kameraden die Hand und sagte: „Halt' die Ohren stets, Peter, daß die Russen dich nicht fangen!" „Sie sollen schon nicht, Landsmann." „Also ich komm' dir entgegen!" „Ist schon recht."------------ Kurze Zeit danach war Peter weithin aus und ab allein. Im Grunde geschah ihm das nicht zitleide. Er vertrug es nur schwer, inmitten vieler Menschen zu sein, aufgeregt gefragt zu werden und hastig antworten zu müssen, und jegliche Arbeit ging ihm zehnmal leichter von der Hand, sobald er allein für sich schassen durste. Also überlegte er vorerst einmal, wie es um ihn stand. Das war bald getan: mutterseelenallein befand er sich auf einer Landstraße in Preußen unweit der russischen Grenze, das einzige lebende Wesen ringsum außer ihm war der sattlige Schimmel, der eben jetzt sich nach dem nassen Boden dehnte und dem dabei das Kummet bis zu den Ohren vorrutfchte. Doch
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