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1. Geschichtliches Lesebuch - S. 2

1903 - Göttingen : Vandenhoeck u. Ruprecht
2 I. v. Treitschke, Belle Alliance. Samte; vor dem äußersten linken Flügel die weißen Häusergruppen von Papelotte und La Haye. Die Straße fällt südlich von Mont St. Jean sanft ab, führt dann völlig eben durch offene Felder und steigt eine starke halbe Stunde weiter südlich, nahe bei dem Pachthofe La Belle Alliance wieder zu einem anderen niederen Höhenzuge empor, fo daß das Schlachtfeld eine weite, müßig eingetiefte Mulde bildet, die allen Waffen den freiesten Spielraum gewährt. Auf diesen Höhen bei Belle Alliance stellte Napoleon sein Heer auf, Reille zur Linken, Erlon zur Rechten der Straße, dahinter bei Rossomme die Reserve; sein Plan war einfach durch einen oder mehrere Frontalangriffe die Linien der Engländer zu durchbrechen, womöglich an der schwächsten Stelle, auf ihrem linken Flügel. Da die unsicheren Feuerwaffen jener Zeit dem Angreifer erlaubten mit ungebrochener Kraft nahe an den Verteidiger heranzugelangen, so hoffte der Imperator durch ungeheure Masfenschläge den zähen Gegner niederzuringen. Seine Kriegsweise war während der letzten Jahre immer gewaltsamer geworden; heute vollends, in der fiebert-schen Leidenschaft des verzweifelten Spielers zeigte er die ganze Wildheit des Jakobiners, ballte viele Tausende seiner Reiter, ganze Divisionen des Fußvolks zu einer einzigen Masse zusammen, damit sie wie die Phalangen Alexanders mit ihrem Elephantentritt alles zermalmten. So begann die Schlacht — ein beständiges Vordringen und Zurückstuten der Angreifer gleich der Brandung am steilen Strande — bis dann das Erscheinen der Preußen in Napoleons Rücken und rechter Flanke den Schlachtplan des Imperators völlig umstieß. Der Kampf verlief wie eine planvoll gebaute Tragödie: zu Anfang eine einfache Verwicklung, dann gewaltige Spannung und Steigerung, zuletzt das Hereinbrechen des alles zermalmenden Schicksals; unter allen Schlachten der modernen Geschichte zeigt wohl nur die von Köuiggrätz in gleichem Maße den Charakter eines vollendeten Kunstwerks. Der letzte Ausgang hinterließ in der Welt darum den Eindruck einer überzeugenden, unabwendbaren Notwendigkeit, weil ein wunderbares Geschick jeder der drei Nationen und jedem der Feldherren genau die Rolle zugewiesen hatte, welche der eigensten Kraft ihres Charakters entsprach: die Briten bewährten in der Verteidigung ihre kaltblütige, eiserne Ausdauer, die Franzosen als Angreifer ihren ritterlichen, unbändigen Mut, die Preußen endlich die gleiche stürmische Verwegenheit im Angriff und dazu, was am schwersten wiegt, die Selbstverleugnung des begeisterten Willens.
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