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1. Geschichtliches Lesebuch - S. 34

1903 - Göttingen : Vandenhoeck u. Ruprecht
34 Iii. ü. Treitschke, Burschenschaft und Wartburgfest. Hatte Fichte nicht recht gesehen, als er einst weissagte: dies in Selbstsucht verkommene alte Geschlecht müsse erst verschwinden bis auf den letzten Mann, ehe die Zeit der Freiheit und der Klarheit den Deutschen tagen könne? Und war es nicht an der Jugend, den erschlafften Alten ein Vorbild wahrer Deutschheit und damit aller echten menschlichen Tugend zu geben? Sie allein besaß ja schon „das durchaus neue Selbst", das der Philosoph seinem Volke erwecken wollte, und verstand den Sinn seines stolzen Ausspruchs: „Charakter haben und deutsch sein ist ohne Zweifel gleichbedeutend." Nicht umsonst hatte der Redner an die deutsche Nation gelehrt: „die Jugend soll nicht lachen und scherzen, sie soll ernsthaft und erhaben sein". Stolz wie er selber, mit erhobenem Nacken und trotzig gekräuselten Lippen schritt dies kriegerische junge Geschlecht einher, durchglüht von dem Bewußtsein einer großen Bestimmung, gleich dem Meister entschlossen, nicht sich der Welt anzupassen, sondern die anderen für sich zurechtlegen. Seine Sehnsucht war die That, die aus freier Selbstbestimmung entsprießende That, wie sie Fichte gepriesen, und jeder Blick der strafenden Augen schien zu sagen: „was kommen soll muß von uns kommen!" Niemals vielleicht ist ein so warmes religiöses Gefühl, so viel sittlicher Ernst und vaterländische Begeisterung in der deutschen Jugend lebendig gewesen; aber mit diesem lauteren Idealismus verband sich von Haus aus eine grenzenlose Überhebnng, ein unjugendlicher altkluger Tugendstolz, der alle Stille, alle Schönheit und Anmut aus dem deutschen Leben zu verdrängen drohte. Die rauhen Sitten des jungen Geschlechts erinnerten nur zu lebhaft an den Ausspruch des Meisters: „eine Liebenswürdigkeitslehre ist vom Teufel". Wenn diese Spartaner auf Abwege gerieten, dann konnten die Verirrungen des überspannten sittlichen Selbstgefühls leicht verderblicher wirken als die holde Thorheit des gedankenlosen jugendlichen Leichtsinns.......... Es konnte nicht fehlen, daß die vaterländische Begeisterung nur noch heißer aufflammte, als jetzt die jungen Krieger in die Hörsäle zurückkehrten, mancher mit dem eisernen Kreuze geschmückt, fast alle noch wie berauscht von dem Heldenzorne des großen Kampfes, voll glühenden Haffes gegen „die äußeren und inneren Unterdrücker des Vaterlandes" — weitaus die beste Studentengeneration seit langen Jahren, aber leider schon zu ernst für die harmlose Träumerei und die überschwängliche Freundschaft, welche dem Studentenleben seinen eigentümlichen Zauber geben. Die dringend nötige Reform der ver-
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