Anfrage in Hauptansicht öffnen

Dokumente für Auswahl

Sortiert nach: Relevanz zur Anfrage

1. Geschichtliches Lesebuch - S. 75

1903 - Göttingen : Vandenhoeck u. Ruprecht
Vi. Freytag, Das Hambacher Fest. 75 Eine Darstellung unserer Parteien feit 1815 mürbe lehren, daß stets die herrschende ihr Gegenbild heraustrieb, welches bei entgegengesetzter Tendenz auch die größte Ähnlichkeit mit der feindlichen Partei hatte, ebenso mie der Halm emporschießt, indem sich über einem Blatt das entgegenstehende erhebt, und wie jede Farbe ihre Ergänzungsfarbe im Auge bildet. Die Regiernngen hatten nach Tilgung Napoleons über den Lebensintereffen ihrer Volker eine Solidarität ihrer dynastischen Interessen proklamiert, die Opposition im Volke verlor genau in demselben Maße den nationalen Charakter, und die liberalen Interessen verbanden alle Unzufriedenen Europas zu einer großen Familie. Wie den Regierungen russische, österreichische, französische Reaktion als eine Stärkung des eigenen Bestandes erschien, genau ebenso war im deutschen Volk der Pole, der Italiener, der mißvergnügte Franzose ein werter Bundesgenosse. Wie die Regierungen durch Censur und rohe Unterdrückung des gedruckten Wortes die Äußerungen jeder Unzufriedenheit ersticken wollten, gerade ebenso begrüßte die Volkspartei jede geheime Druckschrift, jedes entschlossene Wort mit Freude trotz dem Bedenklichen des Inhalts. Wie die Staatspolizei Gewalt übte und auch gesetzlichen Widerstand als persönliche Beleidigung gegen die Regierenden betrachtete, ebenso galt jede Polizeimaßregel und jeder politische Richterspruch im Volke für eine ungesetzliche Tyrannei und jeder Verfolgte für ein schnldloses Opfer der Gewalt, welchem zu helfen eine edle Pflicht sei. Und wie den Regierungen das verächtlichste Individuum, wenn es sich als gesinnungstreues und skrupelloses Werkzeug brauchen ließ, willkommen war, gerade so ertrugen auch die besten in der Opposition Fanatismus, Selbstsucht, hohle Eitelkeit, Gewaltthätigkeit und unehrliche Mittel ihrer Mitglieder. Aus völligem Umsturz aller Verhältnisse hatten sich die neuen Staaten gebildet, jeder der Lebenden wußte, wie willkürlich und zufällig die Regierungen waren, die der Wiener Frieden hinterlassen hatte; zahllose Rechte und historische Ansprüche waren unter dem Heerwagen der nächsten Mutigen Vergangenheit zu Staub zermalmt, die Regierenden mit ihren Beamten forderten jetzt vergeblich Ehrfurcht vor den Gesetzen, welche sie in beständiger Sorge um die eigene Dauer, zuweilen mit bösem Gewissen gaben, auch die Opposition proklamierte und wollte gesetzlichen Fortschritt, aber kein Scharfblickender konnte sich bergen, daß auf diesem Wege kein friedliches Ende abzusehen war, und der besonnene Patriot unterschied sich von dem Verschwörer zuweilen nur dadurch, daß er an den Erfolg
   bis 1 von 1
1 Seiten  
CSV-Datei Exportieren: von 1 Ergebnissen - Start bei:
Normalisierte Texte aller aktuellen Treffer