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1. Geschichtliches Lesebuch - S. 80

1903 - Göttingen : Vandenhoeck u. Ruprecht
80 Vi. Freytag, Das Hambacher Fest. Pflichten für das Ganze zu übernehmen, wenn sie das Behagen seines Privatlebens störten. Deshalb geschah es, daß die Menge, ja auch ihre Führer durch Jahrzehnte in revolutionären Enthusiasmus gerieten, so oft sie den Zauber geselliger Aufregung empfanden, und gleich darauf wieder als Einzelwesen in Ermüdung und Kleinmut widerstandslos der bestehenden Macht zufielen, ja, daß viele von ihnen in Zeiten der Anregung mit stillem Mißtrauen gegen sich selbst bemerkten, wie ihnen die Trunkenheit kam, und vergebliche Versuche machten sich dagegen zu wehren. Diese gesellige Berauschung der Deutschen für politische Ideen, welche vom Hambacher Fest bis über den badischen Aufstand die Menschen fortgerissen hat, wird in der Zukunft als ein besonderes Phänomen im deutschen Volksleben betrachtet werden, welches den letzten Jahren einer großen Periode deutscher Lyrik ebenso eigentümlich ist, wie die asketische Verzückung dem Mittelalter und der Wanderdrang den Jahren der Kreuzzüge. Und es liegt ein gewisser Humor darin, daß gerade zu derselben Zeit, in welcher begeisterte Volkssprecher ihre Landesherren mit gutem Grunde als Todfeinde der deutschen Einheit und Freiheit anklagten, diese Landesherren durch ihren Beitritt zum Zollverein eine weit dauerhaftere Grundlage der deutschen Einheit schufen, als damals in den schnell bewegten Gemütern warmherziger Festgenossen vorhanden war; und daß zu derselben Zeit harte, eigennützige Geschäftsleute, welche von Politik wenig wiffen wollten, durch die Fabrikate, welche sie verfertigten, und die Eisenbahnaktien, welche sie zeichneten, die Landesgrenzen emsiger austilgten als die Festredner. Denn jedem Volke wird das Maß der Freiheit im Grunde bestimmt durch die Beschaffenheit seiner Lebensbedürfnis auf allen Gebieten menschlicher Thätigkeit; der politische Enthusiasmus allein vermag größere Freiheit schwerlich zu bringen, keinenfalls zu erhalten. Aber wohlgemerkt, auch keine Regierung, und fei sie noch so sehr um die realen Interessen ihres Volkes bemüht, vermag aus die Dauer zu bestehen, wenn sie in ihrem Volke nicht Wärme und Begeisterung für den Staat rege zu erhalten weiß. Damals standen der ratlose Enthusiasmus der Liberalen und die schwächliche mürrische Vorsorge der Regierungen für das reale Wohl feindselig gegen einander, seitdem haben die Träume der Volksführer von 1832 gleich dem Sauerteige gewirkt, der, au sich nnfchmackhaft, unser tägliches Brot genießbar macht. Ihre Ideen, bekämpft, vielfach modifiziert, haben zum großen Teil gesetzliches Leben gewonnen,
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