Anfrage in Hauptansicht öffnen

Dokumente für Auswahl

Sortiert nach: Relevanz zur Anfrage

1. Geschichtliches Lesebuch - S. 211

1903 - Göttingen : Vandenhoeck u. Ruprecht
Xiv. Marcks, Persönlichkeit Wilhelms I. 211 Rücksicht nehmen auf jedes bestehende Recht, er haßte die Revolution. Die Rechte der deutschen Fürsten waren ihm insbesondere heilig, achten wollte er auch die in Verfassungen verbrieften Rechte der Bevölkerungen. Innerhalb Europas galt es ihm, die Ehre und die un-gefesselte Selbständigkeit seines Staates zu wahren; er hatte sich von Rußland abgewandt, Napoleon beobachtete er mit Mißtrauen, aber ohne aktive Feindseligkeit. Persönlich am Herzen lag ihm zumal das Heer: dessen Reform war der eigenste Gedanke des Prinzen seit dreißig Jahren. Und man wird, im Zusammenhange damit, die Macht Preußens für den auch jetzt noch eigentlich leitenden unter Wilhelms politischen Wünschen ansehen dürfen. Das aber ergiebt sich aus allem: augenscheinlich zielen all jene Gedanken nicht auf irgendwelchen Kampf, den er im Innern oder auch nur im Äußeren hätte erstreben wollen. Diese Reihe von Anschauungen etwa wird man für die Zeit seines Regierungsantrittes bei ihm anzunehmen haben. Sie enthalten mancherlei bedeutsame Leitsätze einer eigenen Politik; sie bilden kein festes System, kein „Programm"; ein solches hat er ganz eigentlich selbst da nicht ausgestellt, wo er seine Forderungen und Absichten zusammenhängend entwickeln wollte, und niemand wird es von dem praktischen Staatsmanne erwarten. Wohl aber darf man fragen, ob hinter jenen locker gefügten, manchmal wohl unbestimmten Gedanken, die dem Augenblicke, dem Flusse der Ereignisse mit Recht vieles überließen, die wahre staatsmäunische Kraft und Klarheit stand, die im Augenblicke dann wirklich das Höchste unter dem jeweils Möglichen zu wählen und zu wollen weiß, die zugleich geschmeidige und sichere Energie, die nach allem Warten den Augenblick dann wirklich zu ergreifen vermag, weil sie dazu entschlossen ist, die rücksichtslose Schärfe des Denkens und zumal eben des Willens. Unendlich schwierig war die Lage in Deutschland und der Welt; alle deutschen und preußischen Entscheidungen seit einem Jahrzehnt vertagt, alle Gewalten und Bestrebungen, die vorwärts drängten, dadurch getrübt und verbittert, alle widerstrebenden Mächte verstärkt. War der Prinz von Preußen in seiner ritterlichen und gewissenhaften Geradheit der Mann, diese Lage zu beherrschen? Er hatte genug erlebt und in sich verarbeitet; wußte er im höchsten Sinne des Wortes, was er wollte? Leopold Gerlach glaubte es nicht: „wohin der Prinz segelt", schrieb er im Januar 1858 an Bismarck, ist mir nicht klar, ihm wahrscheinlich auch 14*
   bis 1 von 1
1 Seiten  
CSV-Datei Exportieren: von 1 Ergebnissen - Start bei:
Normalisierte Texte aller aktuellen Treffer