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1. Geschichtliches Lesebuch - S. 284

1903 - Göttingen : Vandenhoeck u. Ruprecht
284 Xix. Oncken, Die Kaiserproklamation zu Versailles. Seelenkampf dem historischen Berufe seines Hauses brachte, für Graf Bismarck war er ein Hebel politischen Erfolges, nur für den Kronprinzen war er Herzenssache, ein Jugendtraum, an dessen Erfüllung seine Seele hing. Als er am 21. September den prachtvollen Spiegelsaal, die Galerie des glaces, zum erstenmal besichtigte, gelobte er sich selbst: „Hier wird der Kaiser ausgerufen und das neue Reich verkündigt werden." Als am 3. Dezember der Kaiserbrief des Königs von Bayern eingelaufen und Bismarcks Vortrag darüber beim König beendet war, hatte er in sein Tagebuch geschrieben: „Als wir das Zimmer verließen, reichten Bismarck und ich uns die Hand: mit dem heutigen Tage wird Kaiser und Reich unwiderruflich hergestellt, jetzt ist das fünfnndsechzigjährige Interregnum, die kaiserlose, die schreckliche Zeit vorbei, schon dieser stolze Titel ist eine Bürgschaft, wir verdanken dies wesentlich dem Großherzog von Baden, der unausgesetzt thätig gewesen." Empört war er über die prosaische Schwuuglosigkeit, mit der die Kaiserfrage im Reichstag behandelt worden war, er selbst aber war Feuer und Flamme, als der 18. Januar, der Krönungstag der Könige von Preußen, zum Festtag der Einweihung des neuen Kaisertums bestimmt ward. Von ihm war der Plan selbst ausgegangen, sein Werk war der Entwurf des Festverlaufs, die Festansage, die am 16. Januar an die um Paris lagernden Regimenter erging, um die Vertretung derselben durch Abordnungen und Fahnen zu sichern. An demselben 16. Januar erschien der Hofprediger Rogge, Divisionspfarrer der 1. Gardedivision, bei König Wilhelm, der ihn in seinem einfachen Arbeitszimmer empfing und, hinter seinem Schreibtisch stehend, zu ihm sagte: „Ich habe Sie rufen lassen, ba am 18. Januar, unserem Krönungstage, die Proklamation der Kaisermürbe vorgenommen werben soll und ich den Akt biirch eine kurze, kirchliche Feier eingeleitet sehen möchte. Da ich den Kaisertitel einmal annehmen soll, so habe ich biefen Gebenktag der preußischen Geschichte bafür gewählt. Ich hoffe, daß Sie Ihre Aufgabe auch biesmal so gut lösen werben, wie Sie es neulich beim Empfang der Deputation gethan haben. — Aber von mir bürfen Sie nicht rebert." Der Geistliche erwiberte, benselbert Befehl habe er am 18. Dezember erhalten und bamals ihm auch folgen können, aber biesmal werbe es unmöglich sein, die Person des Monarchen außer Betracht zu lassen. „Nun benn, aber so wenig als möglich. Nicht ich habe es so gemacht, sonbern Gott hat es so gefügt. Es wirb mir recht schwer,
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