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1. Teil 1 - S. 204

1882 - Leipzig : Brandstetter
204 Der Sieg der Zünfte über die Geschlechter. Genossenschaften das Recht erhielten, Gericht zu halten und gerichtlichen Zwang zu üben, waren sie als öffentliche Korporationen anerkannt; das mittelalterliche Gericht war an sich zugleich anerkanntes Organ für Debatten über allgemeine und öffentliche Angelegenheiten. Die Einung wurde zur Zunft nach der gewerblichen wie nach der politischen Seite hin. Die Zunft wurde politisch eiue Teilgemeinde, gewerblich eine Genossenschaft, die das ausschließliche Recht auf eine bestimmte Art des Erwerbs in Anspruch nahm. Die politische Bedeutung der Zunft lag lange, ehe sie bestimmte Rechte in Bezug auf die Teilnahme am Rat hatte, darin, daß sie ein selbständiger Berwaltnngskörper wurde. Auf den vom Rate ausgeschlossenen Handwerkern ruhte ein guter Teil der Verwaltung, sie machten einen schwerwiegenden Teil der Bevölkerung, der Steuerzahler, der militärischen Mannschaft aus. Was Wunder, wenn sie endlich mehr verlangten, wenn sie nicht znsrieden waren, daß man bei wichtigen Angelegenheiten ihre Schöffen, die übrigens vom Rate ernannt waren, zur Beratung versammelte. Immer drohender zogen sich in den ersten Jahrzehnten des 14. Jahrhunderts die Gewitterwolken über dem alten Rat zusammen. Und doch entbehrte derselbe weder tüchtiger Männer noch rühmlicher Leistungen; aber der moralische Wert der Geschlechter war gesunken. Der Sinn für Recht und Gerechtigkeit war im Interregnum tief erschüttert worden und die städtischen Patrizier waren übermütig geworden. In üppigem Reichtum blähte sich die städtische Ehrbarkeit, und in jenen Zeiten war es, daß die Kölner erklärten, auch für eine Königstochter wäre es nicht das schlimmste Los, eine reiche Kaufmannsfrau zu Köln zu werden. Mit verletzendem Hochmut trat der gesteigerte Luxus der Vornehmen den unteren Klassen gegenüber. Und neben den Schattenseiten einer Aristokratie des Besitzes entwickelten sich die einer entarteten Aristokratie der Waffen. In engster Berührung und Verwandtschaft mit dem Landadel nahm der Stadtadel mehr und mehr an der Rauflust und Turnierspielerei des sinkenden Rittertums teil. Die zahlreichen kleinen Fehden auf dem Lande spielten bis in die Stadt, bis in den Rat, bis in die großen städtischen Familien hinein. Alt rohe Gewalt gegen den friedlichen Bürger, gegen Schwache und Hilflose gewöhnten sich die Herren. Und am tollsten trieb es die adelige Jugend. Prügeln der Handwerker und Krämer, Bubenstreiche aller Art waren an der Tagesordnung. In einer Nacht hatte die adelige Ing end zu Straßburg den Fischern alle ihre Fischkästen ausgeleert; in einer andern Nacht alle Krambuden um den Münster herum abgedeckt. Fast in jeder Woche wurden damals zu Straßburg Scharwächter geprügelt, andere gar ins Wasser geworfen. Wenn der Handwerker bei dem vornehmen Patrizier-Geld einkassieren wollte, wurde er geschlagen. Und doch war all das noch nicht das Drückendste. Es waren einzelne Mißbränche, begangen von Individuen. Wichtiger war, was die regieren-dne Herren selbst thaten, wichtiger war, daß die Parteiherrschaft täglich znnahm, daß die Patrizier mehr und mehr in ihrem Interesse, in ihrem
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