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1. Bilder aus der vaterländischen Geschichte - S. 6

1893 - Dresden : Ehlermann
sogleich die Uniform an und meldete sich dann bei dem Könige, der ihn feiner Gemahlin zuführte. Als das schöne mütterliche Auge der Königin auf dem blonden Knaben ruhte, der sich ehrerbietig auf ihre Hand neigte, da konnte die hohe Frau freilich nicht ahnen, daß es der künftige deutsche Kaiser fei, dem sie jetzt zu seinem Eintritt in das Heer Glück wünschte. Infolge der Aufregungen und Leiden jener Zeit erkrankte die Königin an einem Nervenfieber, und auch ihr jüngster Sohn, der Prinz Karl, lag an berfelbeit Krankheit darnieder. Dennoch zögerte sie nicht, die durch das Anrücken der Franzosen notwenbig gewordene Reife nach Memel anzutreten. „Ich will lieber in die Hände Gottes als dieser Menschen fallen," erklärte sie bestimmt. So wurde sie denn bei heftiger Kälte, Sturm und Schneegestöber in den Wagen getragen und, in Betten verpackt, zwanzig Meilen weit über die Kurische Nehrung geschafft; denn um den feindlichen Heeresabteilungen zu entgehen, wählte man den Weg über die schmale Landzunge zwischen dem Kurifchen Haff und der Ostsee. Drei Tage und drei Nächte brauchten die Reisenden, um an ihren Bestimmungsort zu gelangen, die Tage teils in den Sturmwellen des Meeres, teils auf dem Eise fahrend, die Nächte in den elendesten Quartieren zubringend. Die erste Nacht lag die Königin in einer Stube, wo die Fenster zerbrochen waren und der Schnee ihr aufs Bett geweht wurde, ohne erquickende Nahrung. So hat noch keine Königin die Not des Lebens empfunden! Und dennoch hielt sie ihren Mut, ihr himmlisches Vertrauen auf Gott aufrecht und belebte auch ihre Begleitung. In Mentet erholte sie sich allmählich wieder. Das königliche Paar empfand hier in der nordöstlichsten Stadt des Reiches, die es zu feiner Zuflucht erkoren hatte, die Not des Landes nicht minder als jedes Bürgerhaus. Es gab Zeiten, wo beim Mangel an barem Gelde für die täglichen Ausgaben im königlichen Haushalte nur das Unentbehrlichste übrigblieb. Das goldene Tafelgeschirr hatte der König, als Geldnot eintrat, in Silbergeld verwandeln lassen, nicht zu feinem eignen Gebrauch und Vorteil, sondern um Zahlungen für das Land und die schwergedrückten Unterthanen zu leisten. Die Mittagstafel war in hohem Grade einfach; der König hatte den Wein abbestellt und ausgesprochen, daß nicht eher raieber Wein auf feine Tafel gefetzt werben solle, als bis auch der ärmste Bürger wieber Bier trinken tonne. Was aber schwerer drückte als die Not des Lebens, war die Not des Vaterlandes; die Gefahr trat nach der Schlacht bei Friedland näher, daß die königliche Familie auch aus ihrer letzten Zuflucht aus Preußen verdrängt und genötigt werden würde, nach dem Ausland zu flüchten. Aber fest und unerschütterlich blieb auch in dieser Zeit das Königspaar, und die Königin Luise schrieb an ihren Vater, den Herzog von Mecklenburg - Strelitz, die mutigen Worte: „Auf dem Wege des Rechts leben, sterben und, wenn es fein muß, Brot und Salz essen, das ist unser fester Vorsatz."
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