Anfrage in Hauptansicht öffnen

Dokumente für Auswahl

Sortiert nach: Relevanz zur Anfrage

1. Die Weltgeschichte in zusammenhängender Darstellung für Schule und Haus - S. 92

1885 - Leipzig [u.a.] : Klinkhardt
— 92 — diese zum nächsten Wasserbehälter, um ihren Durst zu löschen. Alle Straßen lagen voller Tote, in dumpfer Verzweiflung ertrug die Bürgerschaft das furchtbare Elend. Nur die Parteiwut fand auch in Todesnot und Jammer ihre Rechnung. Die Pest, sagten die Unzufriedenen, sei eine Folge des Kriegs, der Krieg aber das Werk des Perifies. Während er selbst an der Spitze der Flotte den Peloponnesiern bewies, daß die Macht Athens trotz der Seuche ungebrochen sei, war es den inneren Feinden gelungen, das Volk gegen ihn, den Tyrannen, den Alkmäoniden, aufzureizen. Als er zurückkehrte, fand er trotzigen Widerstand. Er berief eine Versammlung und verteidigte sich mit stolzer Ruhe. „Ich bin derselbe geblieben, aber ihr seid die Schwankenden," ries er dem Volke zu, das im Begriff war, sich von ihm abzuwenden. Nur vorübergehend gelang es ihm, die grollende Menge zu zügeln, sich Vertrauen zu erzwingen. Als das Jahr zu Ende ging, erreichten die Gegner, daß man zum zweiteumale Rechenschaft über seine Verwaltung der Staatskasse von ihm verlangte. Das Kollegium der Dreißig, welche die Einnahmen und Ausgaben zu überwachen hatten, fand seine Rechnungen nicht in Ordnung, das Geschwornengericht erklärte ihn für schuldig. Nun wurde ihm das Feldherrnamt genommen, er mußte in das Privatleben zurückkehren. Zu diesem Leid kamen andere, schwerere Schicksalsschläge. Die Seuche raffte seine Schwester, seine ältesten und treuesten Freunde, seine beiden Söhne aus erster Ehe dahin. Als er dem jüngeren den Totenkranz ums Haupt legte, brach er laut weinend über der Leiche zusammen. Aber auch den Athenern war nicht Wohl zu Mute. Die neuen Feldherrn standen ratlos vor den Ausgaben des Krieges. Eine nicht zu bewältigende Bangigkeit ergriff die Bürgerschaft, man sehnte sich nach der Führung eines Perikles, und am Ende blieb nichts übrig, als den Tiefgekränkten zurückzurufen. Das Urteil, welches ihn für schuldig erklärt hatte, ward aufgehoben, unter den lebhaftesten Beteuerungen, daß seine Ehre unbefleckt sei, übertrug man ihm die ausgedehnteste Vollmacht. Mild und ernst, ohne Groll und Vorwurf trat er vor das Volk und übernahm die Herrschaft von neuem. Aber seine Kraft war gebrochen. Die Seuche hatte auch ihn ergriffen, nur langsam, aber sicher zehrte sie an seinem Leben. Während die Athener, durch das Bewußtsein, ihn an der Spitze des Staates zu wissen, ermutigt, zu neuen Unternehmungen sich aufrafften, entfielen die Zügel der Regierung feiner Hand. Trauernd standen die Edelsten aus der Bürgerschaft um das Bett des Kranken. Während er regungslos, den Tod erwartend vor ihnen lag, redeten sie wehklagend von seinen unsterblichen Werken. Da richtete er sich noch einmal auf und sagte, das Beste hätten sie verschwiegen, daß um seinetwillen kein Athener ein Trauerkleid angelegt habe, dann sank er zurück und starb. An der großen Straße, die vom Markte aus nach Eleusis führte, nahe bei dem Begräbnisplatze der für das Vaterland Gefallenen, wurde er zur Erde bestattet. Es war im Jahr 429, im dritten Jahre des Krieges. Mit Perikles ging die Glanzzeit Athens zu Grabe. Alle Keime des Verfalls, die unter der schimmernden Oberfläche verborgen gelegen hatten, wucherten nun mit einem Male empor. Bald nach den Perserkriegen hatte sich die allgemeine Bildung mit immer steigender Schnelligkeit erweitert, aber dabei waren die alten Schranken des Glaubens und der Sitte zersprengt worden. Kimon, der die Perserkriege beendete, war der letzte Vertreter der guten alten Zeit: schlicht und gläubig, ein Mann nicht des Wortes, sondern der That, nicht
   bis 1 von 1
1 Seiten  
CSV-Datei Exportieren: von 1 Ergebnissen - Start bei:
Normalisierte Texte aller aktuellen Treffer