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1. Die Weltgeschichte in zusammenhängender Darstellung für Schule und Haus - S. 286

1885 - Leipzig [u.a.] : Klinkhardt
— 286 — unwahrscheinlich. Als für die Germanen die größte Gefahr vorüber war, traten die inneren Spaltungen wieder mehr hervor. Der Hauptgegner der Cherusker war der Römerfreund Marbod. Hermann selbst lieferte ihm eine Schlacht, doch ohne daß eine Entscheidung herbeigeführt wurde. Marbod erntete die Frucht feines Verrates an der nationalen Sache; die Römer, die ihn nicht zu mächtig werden lassen wollten, unterstützten einen jungen Goten, der ihm feindlich gesinnt war. Marbod floh nach Italien, wurde aber in Ravenna festgehalten und verlebte daselbst seine letzten Jahre als Staatsgefangener. Hermann wurde das Opfer von Zerwürfnissen im eignen Heere. Denn auch der Cheruskerbund war in der Auflösung begriffen, und die erhitzten Recken erschlugen den Führer, der dies verhindern wollte. In Tiberins' Charakter vereinigten sich gute und schlimme Eigenschaften zu einem seltsamen Gemische. Er haßte die Schmeichelei, war streng und gerecht, dabei wohlthätig im besten Sinne des Wortes. Dem Gerichtswesen wandte er die größte Sorgfalt zu, und die Provinzen haben sich unter ihm wohler befunden als unter Augustus.*) Aber Mißtrauen und Härte waren doch Gruudzüge feines Wesens, und je älter er wurde, desto mehr verfiel er den Schmeichlern und Angebern. Die verhaßten Majestätsprozesse forderten unzählige Opfer, denn war fein finsterer Argwohn einmal erwacht, dann unterschrieb er Todesurteile in Menge. Selbst Agrippina und ihre beiden ältesten Söhne mußten sterben. Endlich überließ er die Regierung einem Günstlinge Sejanus, dem Anführer der Prätorianer, welche nunmehr vor einem Thore Roms ihr Lager aufschlugen. Er selbst zog sich nach der Insel Capreä bei Neapel zurück, wo er sich den ärgsten Ausschweifungen ergab. Als er merkte, daß auch der einzige, dem er Vertrauen schenkte, nach der Herrschaft strebte, ließ er ihn hinrichten. Verdüsterten Geistes lebte Tiberins noch einige Jahre, dann starb er zu Miseuum, 78 Jahre alt. Der neue Anführer der Leibwache soll Kissen auf ihn geworfen haben, um feinen Tod zu beschleunigen. Ihm folgte im Imperium Cajus Caligula, der jüngere Sohn des Germaniens (37—41). Den Beinamen Caligula (Stiefelchen) hatte er von den Soldaten erhalten, die ihn schon als zweijährigen Knaben im Lager seines Vaters herumgetragen und ihn mit seinen kleinen Soldatenftiefelchen geneckt hatten. Die nichtswürdige Kriecherei des Senates und der gesamten Aristokratie, welche schon in dem Tiberins eine weitgehende Verachtung der Menschen erzeugt hatte, verdarb bald seinen haltlosen Charakter. Anfangs suchte er durch Milde und Großmut die Volksgunst zu gewinnen, als ihm aber durch eine schwere Krankheit, eine Folge seiner Ausschweifungen, Körper und Geist zerrüttet worden waren, beging er die größten Thorheiten und Grausamkeiten. Er vergeudete den Staatsschatz im Circus, in welchem er selbst als Wagenlenker auftrat, indem er Massengladiatorenspiele veranstaltete, bei denen auch Ritter die Rolle von Kämpfern übernehmen mußten. Wenn er kein Geld mehr hatte, erpreßte er große Summen von den Reichen in Rom sowohl als auch in den Provinzen. Um nicht ohne Kriegsruhm zu sein, ging er mit einem Heere über den Rhein, kehrte aber schon am anderen Tage wieder um, dann begab er sich mit der Flotte über den Kanal und ließ die Soldaten am Strande von Britannien Muscheln sammeln. „Der Ocean ist gebändigt", schrieb er an den *) „Ein guter Hirte", sagte er, „muß die Schafe scheren, nicht schinden."
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