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1. Teil 2 - S. 85

1882 - Leipzig : Brandstetter
Deutsche Mystik im 14. Jahrhundert. 85 scheu Erzeugnissen überreizter Frauennerven den Zoll seiner tiefen und erust-, licheu Achtung entrichtet. Nur konnte sich der Gelehrte bei den Ergebnissen von Visionen und Träumen nicht beruhigen. Er mußte sich auseinanderfetzen mit dem gegebenen Dogma. Er sncht einzudringen in das Geheimnis der Dreieinigkeit, er grübelt über das Rätsel der Erlösung, er sinnt nach über die beziehungsreichen Begriffe des Gottmenschen, des Menscheii-sohns, des Mittlers zwischen Gott und Menschheit. Und das bringt ihn auf gar verwegene Ideen. Die Gottheit erscheint ihm wie ein unendliches Meer von unergründlicher Tiefe, und auf ihrem Grunde ruhen von Ewigkeit her alle Kreaturen. Doch ruhen sie da als bloße Möglichkeiten, wie nngefchaffenc Kunstwerke im Geiste des Künstlers, bis ein Willensakt des Schöpfers sie emporruft. Diesem stillen unergründlichen Wesen der Gottheit nun kann die menschliche Seele gleich werden. Denn ihr ist von ihrem Ursprung her ein Fi'mk-lciit der göttlichen Herrlichkeit geblieben. Wenn sie sich alles Irdischen abthut, wenn sie in völlige Armut des Leiblichen versinkt, wenn alles Zeitliche für sie tot ist, wenn sie mit aller Macht im höchsten Maß erfolgreich jenen Kampf gegen den Körper durchführt, so offenbart sich der dreieinige Gott in ihr, oder fo wird — wie sich Eckard ausdrückt — der ©ohn Gottes iu ihr geboren. „Der Mensch kann das erringen durch Gnade, was Christus hatte von Natur; ein solcher Mensch ist Gott und Mensch." Ans diese Weise ist Christus das Vorbild des menschlichen Lebens, so können wir Christo nachfolgen. Eckard malt einen idealischen Zustand aus, iu welchem des Menschen edelster Trieb, die feinste, die oberste Kraft seiner Seele aufgeht iu Gott. Wie das Feuer alles in Feuer verwandelt, was ihm zugeführt wird, so verwandelt Gott uns in Gott. Die Seele wird mit der Gottheit vereint, so daß sie in ihr nicht mehr als ein besonderes Wesen gefunden werden kann, so wenig wie ein Tropfen Wein mitten im Meer. So beschaffen waren die Lehren, welche der gefeierte Dominikaner in Straßburg vortrug und von hier aus zuerst in weitere Kreise verbreitete. Groß waren die Wirkungen seiner Lehre. Die ganze folgende deutsche Mystik beruht auf ihm. Eine wachsende religiöse Bewegung durchbebte die oberrheinischen Lande in den Jahren von Eckards Aufenthalt zu Straßburg bis in die Mitte des Jahrhunderts. Miß wachs und Hungersnot, Bann und Interdikt im Kampfe zwischen Kaiser und Papst, schließlich die Pest, das alles wies die Menschen mehr als je auf ihr Inneres. Und sehr bemerkenswert ist die hervorragende Rolle, welche die Laien dabei spielen. Schon die Fahrten der Geißler sind ein Versuch religiöser Selbsthilfe, worin man durch felbstauferlegte Not und Peinigung den zürnenden Gott zu versöhnen und sich auf das nahe geglaubte Weltende vorzubereiten suchte. Augenscheinlich hatten die kirchlichen Heilsmittel durch leichtsinnige Hand-
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