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1. Teil 2 - S. 188

1882 - Leipzig : Brandstetter
188 Bäuerliche Zustände im Reformationszeitalter. fortan ausschließlich in die Hände von Stubengelehrten gelegt war, die das Volk und seine Verhältnisse nicht kannten und auf dasselbe keine Rücksicht zu nehmen hatten, da die Heimlichkeit des Gerichtsverfahrens sie dem Volke gegenüber jeder Verantwortung enthob. Schlimmer noch als die Einbuße der alten Gewohnheitsrechte und des nicht nur den freien, sondern auch den hörigen Bauern oft so ersprießlich gewordenen Schutzes ihrer in den Dorfgerichten als Geschworene wirkenden Standesgenofsen, war für sie, daß das neue Gesetzbuch für die deutschen Verhältnisse überhaupt nicht Passend, auf die bäuerlichen Zustande Deutschlands, wie sich dieselben historisch entwickelt, am wenigsten anwendbar war. Hatte es im römischen Reiche keine freien Bauern, keine Erbpächter, kein flämisches Recht re. gegeben, so konnte das römische Recht auch keine für diese^ passenden Bestimmungen enthalten. Dazu kam, daß manche Arten der deutschen Erbunterthänigkeit in einzelnen Zügen große äußere Ähnlichkeit mit wahrer Leibeigenschaft hatten, ohne doch im entferntesten das wirklich zu fein, sowie daß oft ein und derselbe Name, wie z. B. der sehr häufige „eigene Leute", in verschiedenen Gegenden ganz verschiedene Verhältnisse bezeichnete. In den hierdurch entstandenen Verlegenheiten suchten sich die Juristen am leichtesten dadurch zu helfen, daß sie die ihnen unbekannten, unverständlichen Verhältnisse in starre Formen brachten, in eine Klasse zusammenwarfen, und in der damals üblichen Weise auf sie römische Gesetzesstellen anwendeten, obwohl dieselben auf die betreffenden bäuerlichen Zustände Deutschlands ganz und gar nicht paßten. So wurden die römischen Gesetze über Pachtungen in sinnlosester Weise auf deutsche Bauerngüter angewandt, und um das Unglück der Landbevölkerung zu vollenden, ward bei diesen neuen Juristen und bei ihren Nachfolgern bis tief ins 18. Jahrhundert immer mehr die entschieden falsche Vermutung einer durchgängigen ursprünglichen Unfreiheit der Landbevölkerung und darum die Ansicht vorherrschend, die Verhältnisse der deutschen Bauern müßten ganz nach den römischen Gesetzen über die Sklaverei beurteilt werden, weshalb sie in Zweifelsfällen immer gegen den Bauer entscheiden zu müssen glaubten. Dies alles würde freilich nicht geschehen sein, wenn es nicht dem Vorteile derer förderlich gewesen wäre, die überhaupt den größten Anteil an der Verpflanzung jenes fremden Rechtes nach Deutschland gehabt hatten, der Fürsten, wie der Gewalthaber im allgemeinen. Schon lange vor der allgemeinen Einbürgerung des römischen Rechts in Deutschland finden sich ganz unzweideutige Spuren von dem Streben mancher Landesherren und mehr noch ihrer diensteifrigen Beamten, die zahlreichen freien Bauern in Hörige umzuwandeln, wie namentlich bereits im 14. Jahrhundert und in der ersten Hälfte des folgenden am Niederrhein, in Westfalen und Schwaben. Im Laufe des 15. Jahrhunderts fanden diese Bestrebungen wachsende Verbreitung, weil mit dem zunehmenden Luxus der Regierenden auch deren Bedürfnisse stiegen und damit das Verlangen nach Vermehrung ihrer Einkünfte, die von den freien Landleuten und ihren Gütern nur geringfügig
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