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1. Teil 2 - S. 244

1882 - Leipzig : Brandstetter
244 Ter Verfall des deutschen Gewerbeweseris Nahrungsweise kennzeichnete, mancherlei von den Festlichkeiten und Gastmählern der Zünfte fort, was bei dem bedeutend geringeren Verdienste schwer durchzuführen war. Die Zusammenkünfte arteten in reine Trinkgelage aus, und kostspielige Schmausereien waren keine Seltenheit. Bei den Festen der Schützen-Kompagnien, zu denen jede Zunft eine Anzahl Schützen zu stellen hatte, folgte, wie Peter Kosters bremische Chronik berichtet, „fressen und sauffett, welches auch fast die gautze Woche hindurch wärete, dazu ein jeder der schießenden schützen sein antheil bezahlen, aber der Fähndrich die Schottherrn und Freyschützen aus seinem Beutel tractireu mußte, welches dann insgemein dem Fähndriche in einem Jahre von 250 bis zu 300 Thalern kostete; Einigen aber bey vielen aus- und eiuzügeu fremder Herrn offt wohl in die 600 Thlr. gestanden hat, welches dann eine große Beschwerde für einen Handwerksmann war, worüber einer verarmte." Dieser Zug der Genußsucht übertrug sich begreiflicherweise leicht auf die Gesellen und Lehrlinge. Die Gesellen traten im 17. Jahrhundert zu Gesellenverbindnngen zusammen, deren Thätigkeit bald in weiter nichts als wüsten Festlichkeiten bestand. Sobald ein Geselle ans einem fremden Orte einwanderte oder ein Lehrling zum Gesellen gemacht worden war, mußte derselbe bei der Zusammenkunft der Gesellen einen sogenannten Schauer trinken, d. H. einen Becher von Zinn oder Silber, der mit zwei Quart Bier nebst Pfeffer und anderen Gewürzen gefüllt war, in drei Zügen zum Willkommen austrinken und wenn er das nicht konnte, eine Geldstrafe in die Gefellenlade zahlen. Der junge Genosse wurde ferner ant Verbrüderungstage mit Ohrfeigen traktiert und mit dem Stock, dem Symbol der Knechtschaft, geprügelt. Solche Festtage, die jedesmal mit Tanz und Schwelgerei gefeiert würden, währten halbe, oft ganze Wochen und gaben häufig Veranlassung zu bett widrigsten Zänkereien und blutigsten Schlägereien. Kein Geselle bürste den Schauplatz so wüsten Treibens früher verlassen und in feine friebliche Werkstatt zurückkehren, als es dem Altgesellen der Brüder-schast beliebte, die Festlichkeit für geschlossen zu erklären. Dazu kamen noch die sogenannten „blauen Montage" ober „Freßmontage", die auch regelmäßig erst in der Nacht enbigten. Alle diese Ausschreitungen und Verkehrtheiten und alle jene kleinlichen Schutz- und Abschließungsmaßregeln liefern den Beweis, daß der Haud-werkerstaub sittlich und sozial tief gesunken war, und daß ihm biejeitigett Eigenschaften, welche im Mittelalter die Hebung und Blüte des Gewerbes wesentlich bedingten, jetzt gänzlich fehlten. An einen Fortschritt, eine Weiter-bildung der Gewerbe war unter biefen Verhältnissen nimmermehr zu benfen. Die Einrichtung des Meisterstücks, früher der Prüfstein der Tüchtigkeit und Mürbigkeit, bestaub zwar noch, aber sie war im Grunbe nichts als das Mittel, jungen Gewerbtreibenden die Niederlassung zu erschweren, das Korporationsvermögen durch hohe Aufnahmegebühren zu vermehren und den Zunftmeistern auf Rechnung des angehenden Meisters Gelegenheit zu allerlei Belustigungen und Schmausereien zu geben. Die zu fertigende Arbeit war durch-
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