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1. Teil 2 - S. 318

1882 - Leipzig : Brandstetter
318 Der deutsche Volksgeist schäften und Künsten in andern Ländern aus dem Vorhandensein einer großen Hauptstadt entsprängen, und beklagten den Mangel eines solchen Einheitspunktes in Deutschland. Die Bevölkerungen der vielen kleinen deutschen Residenzen waren natürlich mit einem Zustande der Dinge sehr zufrieden, welcher ihnen materiellen Erwerb, Vergnügungen und Zerstreuungen aller Art verschaffte, und das übrige Land hatte meist so wenig Elemente der Bildung und der Selbständigkeit, daß von hier aus ein Widerspruch gegen die bedientenhasten Gesinnungen der Residenz oder ein Aufschwung zu den höheren Regungen des Gemeingefühls und des Nationalgeistes nicht zu erwarten war. Noch eins kam hinzu. Den Meisten galt, und nicht mit Unrecht, das Reich für gleichbedeutend mit Österreich, die Reichsgewalt für ein bloßes Zubehör ober eine Unterstützung der Macht und Politik des Hauses Habsburg. Zumal in Norbbentschland wollte man von einer Unterorbnnng unter diese Gewalt nichts wissen. Berliner Schriftsteller nannten noch kurz vor Eube des 18. Jahrhnnberts die Jbee eines bentschen Nationalgeistes ein „politisches Unbing". Im Mnnbe des Volkes gehörten die größeren, geschloffenen fürstlichen Lanbesgebiete gar nicht eigentlich zum „Reich", vielmehr ging biefes erst ba au, wv der Anblick einer bunten Menge von Reichsstäbten und von winzigen bynastischen Besitzungen den Gebanken an eine höhere Schutz- und Aufsichtsgewalt näher rückte. „Nun hat uns der Kaiser zu befehlen", sagten Reisenbe, wenn sie aus dem Hannöverfchen ins Fulbafche hinüberfuhren. Zwar hatte es an Mahnungen zu innerer Einigkeit und zu gemeinsamer Abwehr äußerer Angriffe schon in den Zeiten balb nach dem breißigjährigen Kriege nicht gefehlt. Auf der einen Seite war es die Türkeugefahr, welche wohl einmal eine Art gemeinsamen Nationalgefühles in den beutfchen Bevölkerungen wach rief, verstärkt durch die Jbee eines allgemeinen Kampfes für den christlichen Glauben gegen die Ungläubigen. Allein diese Gefahr ging immer zu rasch vorüber und traf in ihren unmittelbar fühlbaren Wirkungen boch zu sehr nur die Erbstaaten des Kaisers, als daß dadurch ein nachhaltiger Umschwung in der Denkweise der Nation ober gar in den politischen Einrichtungen des Reiches hätte hervorgebracht werben mögen. Und was den anberen, noch gefährlicheren Reichsfeinb im Westen betraf, fo warb biefer leiber bei weitem nicht allgemein als solcher anerkannt. Im spanischen Erbfolgekriege suchte ein beutfches Fürstenhaus, Bayern, sich den französischen Selbstherrscher geneigt zu machen, um eine auswärtige Krone zu erringen, und später ließ die Besorgnis vor einer neuen, durch die Vereinigung Spaniens und Österreichs in einer Hand scheinbar brohenben habsburgischen Übermacht viele beutsche Reichsstänbe, befonbers protestantische, im geheimen den französischen Waffen den Sieg wünschen. Es folgte der Krieg um die polnische Krone, im bynastifchen Interesse mit beutschem Blute geführt und ans Kosten Dentfchlanbs durch Abtretung Lothringens an Frankreich beenbet.
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