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1. Teil 2 - S. 438

1882 - Leipzig : Brandstetter
438 Verfassnngszustände des ehemaligen römisch-deutschen Kaiserreichs. der gesamten Reichsstände endlich konnte das Reichsoberhaupt keinen Reichsstand in die Acht erklären, keinen Reichsstand von Sitz und Stimme in den Reichskollegien ausschließen, keine neuen Gesetze machen, keine Bündnisse in Reichsangelegenheiten schließen, keine Reichskriege führen, keine Reichsfestungen anlegen, keine Reichssteuern ausschreiben, keine Religionsangelegenheit ordnen. Wie die Regierungsrechte, so waren auch die Einkünfte des Kaisers als solchen in den späteren Zeiten sehr gering. Sie betrugen im ganzen nur gegen 14 000 Gulden jährlich und kamen zusammen aus den jährlichen Übersteuern der Reichsstädte und dem Opferpfennig der Juden. An außerordentlichen Einkünften bezog der Kaiser Subsidieu der Reichsritterfchaft bei Reichskriegen, ein Geschenk derselben bei der Krönung, eine Krönungssteuer der Inden, die fiskalischen Strafen und die oft sehr ansehnlichen Kosten für Belehnungen und Standeserhöhungen. Kein Wunder daher, daß die letzteren von den Kaisern meist sehr gern bewilligt wurden. Mitunter kam es vor, daß noch bei Lebzeiten des Reichsoberhanptes demselben von den Kurfürsten ein Nachfolger erwählt ward. Ein solcher hieß dann römischer König und ward ganz ebenso ceremoniell gekrönt, als wenn er gleich zum regierenden Kaiser gewählt worden wäre. Er führte den Titel: „Allzeit Mehrer des Reiches und König in Germanien" und hatte den Rang vor allen anderen Königen der Christenheit. Eine solche Königskrönung war z. B. diejenige Josephs Ii. zu Frankfurt a. M., welche Goethe als Kind mit ansah und die er später in „Wahrheit und Dichtung" so meisterhaft beschrieben hat. Die unmittelbaren Glieder des deutschen Reiches, welche auf den Reichstagen Sitz und Stimme hatten, waren die Reichsstände. Der Religion nach waren sie katholische und evangelische. Der Direktor der letzteren war der Kurfürst von Sachsen und nach dessen Übertritt zum Katholicismus der Kurfürst von Brandenburg. Beide Körperschaften hatten nach dem Augsburger Religionsfrieden von 1555 und dem westfälischen Frieden von 1648 vollständig gleiche Rechte. Übrigens gab es nicht nur katholische, sondern auch evangelische geistliche Stände, und das Bistum Osnabrück wurde abwechselnd mit einem katholischen und einem evangelischen Bischof besetzt. Die weltlichen Reichsstände waren Kurfürsten, Fürsten, Grafen, Herren und Reichsstädte. Sie teilten sich in die drei Kollegien der Kurfürsten, Fürsten und Reichsstädte. Das Kollegium der Kurfürsten bestand aus drei geistlichen und vier weltlichen Fürsten. Ihre Vorrechte waren so ausgedehnt, daß sie die eigentlichen Herrscher des Reiches waren. Sie konnten Gesandte vom ersten Range an den Kaiser schicken, ihre Freiheiten und Würden mußten sofort von dem neuerwählteu Reichsoberhanpte bestätigt werden, und der Kaiser konnte fast nichts Wichtiges ohne ihre Zuziehung thun. Die Reichstage wurden nur mit ihrer Bewilligung oder auf ihr besonderes Verlangen vom Kaiser abgehalten. Ihre Kurlande waren den obersten Reichsgerichten
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