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1. Teil 2 - S. 450

1882 - Leipzig : Brandstetter
450 Deutsche Reichsgerichte. schickte jedesmal, wenn ein Aktenstück gebraucht wurde, einen besondern Kommissar dorthin, um es auszusuchen. Ein Teil der nach Frankfurt ge-slüchteteu Akten ist erst im Jahre 1752 nach Wetzlar geschafft worden; die zu Aschaffenburg lagernden hat man dort bis zum Jahre 1807 gelassen. — In Wetzlar hat das Gericht denn bis zur Auflösung des deutschen Reichs feine rühmlose Existenz gefristet, denn es hat nach keiner Richtung lim seine Aufgabe erfüllt. Die Gründe dafür waren teils mehr äußerlicher, teils tief innerlicher Natur. Einer der Krebsschäden war es, daß die elende Finanzwirtschaft des deutschen Reichs es nicht gestattete, das Gericht voll zu besetzen. Nach der ursprünglichen Kammergerichtsordnuug sollte es 16 Beisitzer haben; aber diese Zahl wurde faktisch nicht erreicht. Teils aus diesem Grunde, teils weil das Gericht oft jahrelang seine Thätigkeit ganz einstellte, blieben außerordentlich viele Streitsachen unerledigt. Durchschnittlich kamen in einem Jahre doppelt soviel neue Sachen hinzu, als erledigt werden konnten. Nach einem vielleicht übertriebenen Berichte vom Jahre 1646 sollten Gewölbe voll Akten seit mehr als 20 Jahren nicht geöffnet und schon im Jahre 1620 über 50000 Sachen zurückgelegt sein, über die niemals Bericht erstattet worden sei. Um die Reste schneller auszuarbeiten, wurde die Zahl der Beisitzer mehrmals -— aus dem Papier — erhöht, im westfälischen Frieden auf 50; auf dem Regensburger Reichstage von 1654 wurde das Gehalt für einen Beisitzer auf 1000 Thaler festgesetzt und zugleich verordnet, daß die Kosten der Besoldung durch Steuern der Reichsstände, durch die sogenannten Kammerzieler aufzubringen seien. Aber man weiß es ja, wie sich die Reichsstände ihren Reichspflichten zu entziehen suchten, und welche Not es machte, die ans einem Reichstage bewilligten Steuern einzutreiben. So spärlich liefen die Gelder ein, öfter nur der zehnte Teil von dem, was zu zahlen war, daß faktisch nur 13 Mitglieder unterhalten werden konnten und auch ihnen oft längere Zeit ihr Gehalt nicht gezahlt wurde. Im Jahre 1720 setzte man die Zahl der Beisitzer von 50 ans 25 herab, erhöhte aber gleichzeitig ihr Gehalt von 1000 auf 2000 Thaler. Natürlich wurde die Not dadurch nur größer, da die Masse der zu erledigenden Prozesse mit jedem Jahr beträchtlich anschwoll. Die einzelnen Stände protestierten weiter gegen ihre Veranschlagung bei den Kammerzielern und blieben mit ihren Zahlungen im Rückstände; Bayern z. B. schuldete im Jahre 1747 52 000 Thaler, Brandenburg über 110000 Thaler. So konnte man denn nicht 25, sondern nur 17 Assessoren besolden und brachte es erst im Jahre 1782 wirklich auf 25 Beisitzer. Zu allem Überfluß brachen öfter Streitigkeiten der bösesten Art unter den Mitgliedern aus, welche die Thätigkeit des Gerichts hemmten oder jahrelang zum Stillstand brachten; so wurden beispielsweise von 1703 bis 1711, also 8 Jahre hindurch, gar keine Sitzungen abgehalten.
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