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1. Teil 2 - S. 467

1882 - Leipzig : Brandstetter
Das deutsche Reichsheer. 457 Von Kameradschaft konnte bei solcher Lage der Dinge begreiflicherweise nicht die Rede sein, auch die Subordination ließ viel zu wünschen übrig, und selbst die Ehrlichkeit litt unter der krausen Verwaltung der Truppenteile. Vom Fourier bis zum höchsten Offizier wollte jeder sich bereichern, und fo kam es, daß ein einziges, vielfach zusammengesetztes Kreisregiment mehr kostete, als drei kaiserliche oder preußische Regimenter. Dabei gab es aber nicht selten Kompagnien, bei denen nur 30 Mann im Gliede standen, während für die anderen sieben Achtel, für die „blinden Lücken", die auf dem Papiere geführt wurden, Löhnung, Brot und Kleidung weiter verlangt wurden und der Erlös in die Tasche der Offiziere und Beamten floß. Ja, es kam vor, daß sich die Stände daheim an diesem niederträchtigen Erwerb beteiligten. Desertionen kamen fast täglich vor. Die Einrichtungen des Reichskriegswesens machten es unmöglich, etwas Großes und Ernstes mit demselben auszurichten. Moser hatte Recht, wenn er im Traktat vom römischen Kaiser behauptet, Deutschland sei ein Staat, der sich zu nichts weniger eigne, als zum Kriegführen, oder wenn er in feiner Abhandlung von den Reichstagsgeschäften erklärt: „die sich bei einem Reichskriege und einer Reichsarmee äußernden Gebrechen sind so groß, auch viel und mancherlei, daß man, so lange das deutsche Reich in feiner jetzigen Verfassung bleibt, demselben auf ewig verbieten sollte, einen Reichskrieg zu führen". Am günstigsten erscheinen noch die Verhältnisse des Reichskriegswefens in dem großen, gefährlichen Türkenkriege von 1682 bis zum Frieden von Karlowitz (1699). Hier zeigten sich die kirchlich und politisch getrennten Söhne des Vaterlandes ausnahmsweise im edlen Wetteifer vereint; hier verrichteten die Reichskontingente Brandenburgs, Sachsens, Bayerns und selbst des vielherrigeu Schwabens bei dem Entsätze von Wien, bei der glorreichen Erstürmung Ofens und endlich in der Schlacht bei Zenta so ruhmvolle Thaten, daß dieser Krieg als eine Ehrenzeit des deutschen Soldaten noch heute volkstümlich ist. Nicht in dem Sinne, daß der Märker oder der Württemberger, wenn er auf dem Marsche das schöne Lied von dem Prinzen Engen fingt, an Ofen und Zenta dächte, wohl aber ins0fern, als eben das Nachklingen dieses Liedes durch ganz Deutschland bis zum heutigen Tage ein Beweis dafür ist, daß damals, um die Wende des 17. und 18. Jahrhunderts, jene Volksweise dem Gefühle innerer Einheit entsprang. Den Reichskriegen gegen Frankreich fehlte leider dieser nationale Charakter durchaus. Bayern und Köln scheuten sich nicht, ihre Hände in die blutige Hand des Verwüsters der Pfalz zu legen, um sich mit solcher Bundesgenossenschaft zu höherer Macht emporzuschwingen. Mit französischem Gelde war das bayrische Heer bezahlt, welches ohne Kriegserklärung Ulm wegnahm, um Ludwig Xiv. den Weg nach Wien zu bahnen. Das Reich entsetzte sich über den frechen Friedensbruch; die Stände sicherten die Gestellung des dreifachen Kontingents zur Exekution gegen Bayern zu — aber nicht einmal das Simplum brachten sie auf. Als dann die Opera- 30*
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