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1. Teil 2 - S. 468

1882 - Leipzig : Brandstetter
468 Das deutsche Reichsheer. tionen mit dem noch ganz unvollständigen Heere begannen, hing an jeder Unternehmung wie ein Bleigewicht der maßgebende Einfluß des Hofgerichtsrats zu Wien; dazu dauerte das „Moderationsgeschäft", d. i. die Erledigung der Gefuche um Herabminderung der Matrikularbeiträge, fort, und während die Stände sich auf das entschiedenste weigerten, Kehl und Philippsburg herzustellen und zu armieren, ging ein Stück deutschen Bodens nach dem andern verloren und fiel der Verwüstung anheim. Vielleicht noch tiefer gesunken als im spanischen Erbfolgekriege erscheint das Reichskriegswesen im siebenjährigen Kriege. Bei Roßbach, wo von 100 Gewehren des Reichsvolkes kaum 20 losgingen, verlor die Reichsarmee den letzten Kredit und wurde vom eigenen Volke als „Reißausarmee" verhöhnt. Während das Reich sich mit den jämmerlichsten Kontingenten behelfen mußte, wurden die guten stehenden Truppen ein Gegenstand der Geldspekulation und fremden Interessen dienstbar gemacht. Die teils freiwillig geworbenen, teils in empörender Weise gepreßten, teils aus „kantonpflichtigen" Landeskindern zusammengesetzten Regimenter wurden von Sachsen, Hessen-Kassel, Braunschweig, Anspach und Bayreuth, von Anhalt, Hanau, Waldeck, Württemberg für sogenannte „Snbsidien" an Venedig, Dänemark, England oder Holland vermietet, um in Morea oder Schottland, in Kanada, am Kap der guten Hoffnung oder in Indien zu fechten und zu sterben. Aus Hessen-Kassel allein wurden schon 1687 an Venedig zum Krieg gegen die Türken in Morea 1000 Mann, 1702 an die Seemächte 9000, 1706 zum Krieg in Italien 11 500 und wieder nach dem Utrechter Frieden an England 12 000 Mann verschachert. Seit der Thronbesteigung Georgs Ii. zahlte England jährlich an den Landgrafen von Hessen 240 000 Pfd. (= 4 800 000 Mark). Im österreichischen Erbfolgekriege standen Hessen gegen Hessen, da der Landgraf Wilhelm Viii. 6000 seiner Landeskinder an Georg Ii. als Bundesgenossen der Kaiserin Maria Theresia, 6000 andere an Kaiser Karl Vii. vertäust hatte. Während der acht Jahre 1775 — 1783 lieferten Braunschweig, Hessen-Kassel, Hessen-Hanau, Ansbach, Waldeck und Anhalt-Zerbst zusammen 29166 Mann an die Engländer und erhielten dafür in Summa 1 790 113 Pfd. = 35 802 260 Mark. Ju den Verträgen wegen des amerikanischen Krieges fetzte man englischerseits fest, daß die Löhnung direkt an die Truppen ausgezahlt werden sollte, weil bei früheren Gelegenheiten einzelne deutsche Fürsten von der hohen englischen Löhnung, die bedeutend mehr betrug als die deutsche, den Mehrbetrag in die eigene Tasche gesteckt hatten. Wenn man bedenkt, welche kümmerliche Rolle die Reichsarmee im siebenjährigen Kriege gespielt, so erregt es doppelt unwilliges Staunen, kleine deutsche Fürsten kaum 13 Jahre nach dem Friedensschlüsse binnen weniger Monate 20 000 Mann für England liefern zu sehen. Und, was das Schlimmste ist, fast ohne Widerspruch im Reiche. Zwar erteilte 1777 der Wiener Hof feinen Gesandten den Auftrag, die Truppenlieferungen so
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