1889 -
Braunschweig
: Bruhn (Appelhans & Pfenningstorff)
- Autor: Tiemann, Hermann
- Auflagennummer (WdK): 1
- Jahr der Erstauflage_wdk: 1889
- Sammlung: Kaiserreich Geschichtsschulbuecher
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Regionen (OPAC): Niedersachsen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Inhalt: Zeit: Mittelalter
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): offen für alle
— 43 —
gut. Ein ganz gleiches Kreuz habe ich an dem Tage, als ich von meinem Kinde Abschied nahm, demselben um den Hals gehängt und seinen Pflegern gesagt, es ihm nie abzunehmen, auch ihm, wenn er größer geworden, mitzuteilen, daß es das letzte Andenken an seinen Vater sei; er solle es niemals ablegen, denn daran werde man ihn einst erkennen. Gewiß trägt mein Sohn, wenn er lebt, noch heute dieses Kreuz; und solltest Du ihn einst finden und an diesem Zeichen erkennen, so sei ihm ein Freund, wie ich Dir ein Freund gewesen bin. Adeldag ist um einige Jahre älter als Du; doch das wird nichts hindern, daß Ihr Euch in Freundschaft an einander schließet. Gott gebe nur, daß Du ihn findest, damit er erfahre, wie sein Vater ihn geliebt hat".
Der Mönch schwieg; Thränen erstickten seine Stimme. Hermann ergriff seine Hand und sagte: „Ehrwürdiger Vater, wie ein heiliges Vermächtnis werde ich das, was Du mir hier einsam und allein in stiller Nacht auf der weiten Heide anvertraut hast, bewahren. Doch sprich, warum willst Du Dich der Gefahr des Lebens in dem bevorstehenden Kampfe aussetzen? Du bist ein^ alter Mann, und Dein Amt zwingt Dich nicht, das Schwert zu führen; bleibe dem Kampfe fern, keiner wird es Dir verargen". Aber Pater Wichmann erwiederte: „Niemand soll mir's wehren, dem Kampfe beizuwohnen. Schon längst habe ich nach einer Gelegenheit gedürstet, gegen den Feind, welcher unsägliches Leid über mich gebracht hat, kämpfen zu können; und kann ich auch nicht viel mehr thun, so soll es mir doch eine Genugthuung sein, auf dem Plane zu stehen, wertn es gilt, die Unbill heimzuzahlen, die er über uns gebracht hat. Suche deshalb nicht mich zu überreden, daß ich zurückbleibe; Deine Mühe würde erfolglos sein".
Schweigend standen sie nun, der Greis und der Jüngling, auf dem Heidehügel, ein jeder mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt. Ein schmaler Lichtstreifen im Osten bezeichnete den Ort, wo bald die Mondsichel aufsteigen mußte. Plötzlich sagte Hermann mit gedämpfter Stimme: