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1. Die Geschichte Anhalts in Wort und Bild - S. 61

1906 - Cöthen : Schulze
— 61 — § 31. Aufklärung und Schulwesen. Das Dessauer Philanthropin. 1. So wandelte Fürst Franz durch seine kunstsinnigen Pläne den mehr derben, nüchternen soldatischen Geist, welcher vom Fürsten Leopold her noch herrschte, in das Streben nach dem Edeln und Schönen um. Aber es galt noch einem anderen Geiste zu widerstehen, den schon Fürst Ludwig mit seinem Palmenorden zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges vergeblich bekämpft hatte, dem Geiste der französischen Hofsitte und Modetorheit. Derselbe war besonders durch das üble Vorbild der Franzosenkönige Ludwigs Xiv. und Xv. in die meisten deutschen Fürstenhöfe und höheren Gesellschaftsklassen eingedrungen. Man schätzte sich nur nach Rang, Geburt und Titel. Steife, gezierte Zeremonien und Komplimente, nichtssagende Höflichkeitsphrasen halten die alte deutsche Biederkeit verdrängt. Damen wie Herren stolzierten in gebrannten und gepuderten Perückenlocken einher, die Dämchen in weiten Reifröcken, mit hohen Absätzen an den Schuhen und Schönheitspflästerchen im Gesichte, die Modeherren in steifen, tressenbesetzten Röcken, den dreispitzigen Hut unter dem Arme, den Galanteriedegen an der Seite. Schon der biedere „Alte Dessauer" hatte solches undeutsche Wesen von seinem Hofe ferngehalten. Fürst Franz wollte es durch sein gutes Vorbild sogar vernichten. Von England her wehte bereits ein anderer Wind: der Geist der Aufklärung, der da lehrt, daß alle Menschen am Ende doch Brüder sind, daß man unsinnige Sitten aufgeben und nach der Natur leben müsse, daß die Fürsten nicht für prunkende Hoffeste, sondern zunächst für ihr Volk da seien. 2. Höher als äußeren Wohlstand schätzte Vater Franz die inneren Güter der Geistes- und Gemütsbildung. Hier mußte bei der Jugend angefangen werden. Die Kinder der damaligen Zeit wuchsen entweder ohne jeden Schulunterricht in trauriger Unwissenheit auf, oder sie wurden im Geiste der französischen Mode altklug erzogen. Eingezwängt in dieselbe steife Kleidertracht wie die Erwachsenen, mußten sie nach den Regeln des Tanzmeisters sein säuberlich einhergehen. Springen, Laufen, Jauchzen war verpönt. Flnßfchwimmen und Schlittschuhlaufen galt für wenig fein. Die Lehrer in den Schulen waren ohne genügende Kenntnisse, oft aus dem Handwerker- und Bedientenstande hervorgegangen. Mechanisch bleuten sie den Kindern das wenige Wissen ein und waren als harte Schultyrannen gefürchtet. Manchem haben sie die schöne Jugendzeit gründlich vergällt. 3. Da unternahm es Johann Bernhard Basedow in Altona, das verrottete Schulwesen zu bessern. In begeisterten Schriften forderte er alle Menschenfreunde auf, dazu mitzuhelfen. Fürst Franz holte ihn sogleich mit hohem Gehalte nach Dessau. Hier gründete Basedow im Dezember 1774 seine Musterschule, das Philanthropin, d.h. Schule der Menschenliebe. Obgleich die Anstalt nur 19 Jahre bestand und nur für Kinder aus den besseren Ständen berechnet war, hat sie doch für die Jugend sehr viel Gutes gestiftet. Die Lehrer bemühten sich, im Gegensatze zu den finsteren Schultyrannen die väterlichen Freunde der Zöglinge zu sein, einen angenehmen Unterricht zu erteilen und das mechanische Auswendiglernen möglichst zu beschränken. Die Schüler bekamen gesunde, mäßige Nahrung, eine leichte, bequeme Kleidung und mußten sich möglichst viel in freier Luft aufhalten, auch in den damals erst eingerichteten Freiviertelstuuden. Um den Körper zu stählen, übten sie das Flußschwimmen und den Schlittschuhlauf und machten weite Fußmärsche, einmal sogar bis zum Brocken hin und zurück. Der Philanthropingarten hinter dem jetzigen Amalienstifte zu Dessau ist die Wiege des Turnens und der Jugendspiele. Von hier ist dieser heute so wichtige Unterrichtszweig ausgegangen. Die Schüler verwendeten ihre Freizeit auch zu nützlichen Handarbeiten, zum Tischlern,
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