Anfrage in Hauptansicht öffnen

Dokumente für Auswahl

Sortiert nach: Relevanz zur Anfrage

1. Quellenlesebuch für den Geschichtsunterricht - S. 105

1895 - Langensalza : Beyer
129. Die Zusammenkunft der Königin Luise mit Napoleon. 105 unter. Der König hat bewiesen, der Welt hat er bewiesen, daß er nicht Schande, sondern Ehre will. Preußen wollte nicht freiwillig Sklavenketten tragen. Auch nicht einen Schritt hat der König anders handeln können, ohne seinem Charakter ungetreu und an seinem Volke Verräter zu werden. Wie dieses stärkt, kann nur der fühlen, den wahres Ehrgefühl durchströmt. — Doch zur Sache. Durch die unglückliche Schlacht von Friedland kam Königsberg in französische Hände. Wir sind vom Feinde gedrängt, mtb wenn die Gefahr nur etwas näher rückt, so bin ich in die Notwendigkeit versetzt, mit meinen Kindern Memel zu verlassen. Der König wirb sich wieder mit dem Kaiser (Alexander) vereinigen. Ich gehe, sobalb bringenbe Gefahr eintritt, nach Riga. Gott wirb mir helfen, beit Augenblick zu bestehen, wo ich über die Grenzen des Reiches muß. Da wirb es Kraft erfordern; aber ich richte meinen Blick gen Himmel, von wo alles Gute und Böse kommt, und mein fester Glaube ist: er schickt nicht mehr, als wir ertragen können. Noch einmal, bester Vater, wir gehen mit Ehren unter, geachtet von Völkern, und werden ewig Freunde haben, weil wir sie tierbienen. Wie beruhigenb biefer Gebanke ist, läßt sich nicht sagen. Ich ertrage alles mit einer solchen Ruhe und Gelassenheit, die nur Ruhe des Gewissens, reine Zuversicht geben kann. Deswegen seien Sie überzeugt, bester Vater, daß wir nie ganz unglücklich sein können, und daß mancher, mit Kronen und Glück beb rückt, nicht so froh ist, als wir es finb. Gott schenke jebem Guten beit Frieden in seiner Brust, und er wirb noch immer Ursache zur Freube haben. Noch eins zu Ihrem Troste: daß nie etwas von unserer Seite geschehen wirb, das nicht mit der strengsten Ehre verträglich ist und nicht mit dem Ganzen gehet. Denken Sie nicht an einzelne Erbärmlichkeiten. Auch Sie wirb das trösten, das weiß ich, sowie alle, die mir angehören. Ich bin auf ewig Ihre treue, gehorsame, Sie innig liebettbe Tochter Luise. 129. Die Zusammenkunft der Königin Luise mit Napoleon. Die Oberhofmeisterin Gräfin Voß erzählt in ihren Erinnerungen: 6. Juli. Um 4 Uhr fuhren wir fort mit einer Bebecfuitg der Garbe bu Corps über die fliegenben Brücken, waren um 5 Uhr in Tilsit und stiegen in bent Quartier des Königs ab. Eine Viertelstunbe später kam Napoleon. Ich empfing ihn mit der Gräfin Tauentzien am Fuße der Treppe. Er ist auffallend häßlich: ein dickes, aufgedunsenes, braunes Gesicht; dabei ist er wohlbeleibt, klein und ganz ohne Figur; seine großen, runben Augen rollen unheimlich umher; der Ausdruck feiner Züge ist Härte: er sieht aus wie die Verkörperung des Erfolges. Nur der Mund ist schön geschnitten, und auch die Zähne finb schön. Er war äußerst höflich, sprach sehr lange Zeit allein mit der Königin, und dann fuhr er fort. Gegen 8 Uhr begaben wir uns 5u ihm, da er ans Rücksicht für die Königin feine Mahlzeit früher bestellt hatte. Während der Tafel war er sehr guter Laune und sprach sehr viel mit mir. Nach Tische hatte er eine lange Unterhaltung mit der Königin, die
   bis 1 von 1
1 Seiten  
CSV-Datei Exportieren: von 1 Ergebnissen - Start bei:
Normalisierte Texte aller aktuellen Treffer