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1. Kulturbilder aus Deutschlands Vergangenheit - S. 36

1890 - Leipzig : Gräbner
36 5. Vier Erzählungen aus der germanischen Mythologie. und nun stand Loki vor ihnen. Er wurde gebunden und in eine Höhle geschleppt, wo man ihm ein jammervolles Lager bereitete. Drei scharfkantige Felsen, von denen der eine unter seine Schultern, der andere unter seine Lenden, der dritte unter seine Kniee gelegt wurde, bildeten hinfort seine Ruhestätte. Auch seine beiden Söhne wurden herbeigeschleppt. Der eine wurde in einen hungrigen Wolf verwandelt, der seinen Bruder vor den Augen des Vaters zerriß. Mit den Eingeweiden seiner zerfleischten Kinder banden die Äsen Loki an die schneidigen Felsen. Aber seine Strafe wurde noch erhöht. Über dem Haupte des Gefesselten wurde eine Natter befestigt, deren giftiger Geifer ihm in die Augen tropfte, was ihm ungeheure Schmerzen verursachte. Da nahm sich das treue Weib Lokis, Sigyn, des Unglücklichen an. Trauernd saß sie zu seinen Häupten und sing in einer Schale das von der Natter herabträufelnde Gift auf. War aber das Gefäß voll, sodaß sie es ausleeren mußte, dann siel der Geifer auf das Angesicht Lokis, und er wand und krümmte sich in seinem gräßlichen Schmerz, sodaß die Erde in ihren Grundfesten erbebte. Dies nennen die Menschen Erdbeben. Ein Zwiefaches lehrt uns diese Mythe. Baldnr ist der Frühlingsglanz in seiner allerfreuenden, milden Klarheit als Symbol der geistigen Reinheit und Jugendschöne; er stirbt den frühen Tod in der Sommersonnenwende durch die lichtlose, blinde Winternacht. Das ist die eine Bedeutung. Aber noch eine andere Lehre liegt darin. Obgleich Odin, mit Helm, Schwert und Speer bewaffnet, die höchste Verehrung genießt, wird doch Baldur, der Gott des Friedens und der Liebe, mehr noch gefeiert als der Götterkönig: er wird der Menschen und der Götter Liebling genannt; um ihn trauern alle Äsen, weinen alle Wesen (mit Ausnahme Lokis, des Bösen). Der Schmerz führt die Gattin ihm nach in den Tod; einer der Äsen wagt den gefahrvollen Ritt in das Totenreich, um ihn zu retten. Das setzte ein Vorhandensein der Ahnung in der Seele unserer kriegerischen Vorfahren voraus, daß doch noch höher, als die Schwertkraft, die Macht der Liebe stehe. Sie ahnten es, wie es auch in der Lehre von der Götterdämmerung bestimmt zum
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