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1. Lesebuch aus Gustav Freytags Werken - S. 93

1901 - Berlin : Weidmann
Vom Interregnum zur Reformation. 93 die Begharden und Begumen, sind in Häusern angesiedelt. Sie üben Frömmigkeit nach neuer Regel, aber sie stehn nicht in gutem Ruf, selbst nicht die Begumen. Neben frommen Frauen, welche Wolle spinnen und fasten linb wenig ärgere Sünde zu beichten haben als ihre Träiune, treiben sich andere auf den Gassen umher, saufen in die Mönchsklöster und halten verstohlene Zusammenkünfte mit Schülern. Denn die Stadt hat nicht nur eitrige Stadtschulen, welche von den Psarrgeistlichen beaufsichtigt werden, auch eine höhere lateinische Schule mit einem lateinischen Lehrer, einem angesehenen Mann, der nicht mehr wie bei den alten Domschulen von der Kirche unterhalten wird, sondern vom Rat. Er lehrt seine Schüler Lateinisch aus der Grammatik des Donat, und nach alter Mönchsweise die vier Wissenschaften des Quadriviums?) Er hat großen Zulauf von armen Schülern aus der Fremde, welche bei den Bürgern betteln und durch fromme Almosen erhalten werden, darunter sind alte Knaben; viele verbringen ihr Leben, indem sie von einer Stadt zur andern ziehen, Söhne der Bürger unterrichten oder Schreiberdienste thun; sie sind weit umher gekommen, in Frankreich und Italien, unter Polen und Ungarn, sie verfertigen Gedichte für ihre Gönner, erzählen Lügen und reden Übles nach, sie sind mit allen Geheimnissen der Stadt und den Schlupfwiukelu wohl bekannt und in jedem Schelmenstreiche wohl erfahren, aber sie sind nicht nur frech und verschlagen, auch lustig und als witzige Possenreißer oft die gelehrteste Unterhaltung der geistlichen Herren. Denn die Wahrheit zu sagen, in diesem Jahrhundert steht die gesamte Geistlichkeit, die Orden und was irgend Kleriker heißt, in sehr schlechtem Ruf als profan und frech und mit allen ungeistlichen Neigungen übermäßig behaftet, und je vornehmer um so ärger. Der Stadtrat hat bittere Beschwerden über Unzucht, nächtlichen Straßenlärm gegen sie gesammelt. Die wenigen Gottseligen unter ihnen aber werden von den Laien sehr geachtet und haben großen Zulauf von bedrängten Seelen. Auch für ihr eigenes Regiment baut die Stadt gerade jetzt ein schönes Rathaus, zierlich und schmuckvvll, darin einen Saal für die großen Feste der Stadt und ansehnlicher Bürger. Aber zwischen Dom und Rathaus verhalt sich eine kunstlose Wasserpfütze *) Die artes reales: Musik, Geometrie, Arithmetik, Astronomie.
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