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1. Lektüre zur Geschichte des 19. Jahrhunderts - S. 66

1910 - Leipzig : Wunderlich
66 Heinrich v. Sybel. und in Venedig erhob sich die nationale Empörung, fand Zuzug aus ganz Italien und bald Unterstützung durch die sardinische Armee. Ungarn stand dicht vor dem Ausbruch der Revolution; es gärte in den slavischen Provinzen, vor allem in Böhmen; in den deutschen Kronlanden erhoben sich die Bauern gegen die Gutsherren, und die Bürger wollten von Polizei und von Steuern nicht mehr reden hören. Ob nach drei Monaten ein Osterreich noch existieren würde, erschien eine schwer zu beantwortende Frage. In anderer Weise kam es zu einem ähnlichen Umschwung in Preußen. König Friedrich Wilhelm war gleich von einer ersten Rückwirkung der Revolution höchst empfindlich, wenn auch nicht an einer für den Staat gefährlichen Stelle, getroffen worden. Noch im Februar hatte eine demo- kratifche Partei in dem ihm hochgeliebten Schweizer Fürstentum Neuen- bürg, von Freischaren der Nachbarkantone unterstützt, in einem raschen Putsch die Herrschaft gewonnen und die Verbindung mit Preußen zerriffen. Der König war im tiefsten Herzen entrüstet, mußte sich aber zurzeit mit einem unfruchtbaren Protest bei der Adgenossenschaft be- gnügen. Um so lebhafter fand er in den deutschen Ereignissen Antrieb, auf dem Wege deutscher Bundesreform kräftig vorzugehen. Einer seiner vertrautesten Freunde, General von Radowitz, hatte schon am 20. No- vember 1847 die königliche Zustimmung zu einer Denkschrift erhalten, worin dem Bundestag die Schöpfung einer bessern Kriegsverfassung, die Einsetzung eines Bundesgerichts, die gesamte Gesetzgebung über Handels-, Zoll- und Verkehrswesen zugewiesen und in all diesen Fragen Mehrheits- beschluß an die Stelle der bisher notwendigen Einstimmigkeit gesetzt wurde. Daß eine solche Steigerung der Macht des alten Bundestags ohne eine gründliche Umformung desselben für Preußen und den Zoll- verein den politischen Selbstmord bedeutet hätte, scheint trotz aller Er- fahrungen Hardenbergs und Bernstorfss weder dem Könige noch seinem Ratgeber klar geworden zu sein. Am 1. März wurde Radowitz mit entsprechenden Vorschlägen nach Wien gesandt. Unter dem Dröhnen der deutschen Bewegung fand er günstige Ausnahme; aber ehe der Antrag praktische Folgen haben konnte, wurde er durch die reißenden Fort- schritte der Revolution vollständig überholt. Schwer besorgt meldete der General, daß jetzt auch der König von Bayern den verhängnisvollen Gedanken eines deutschen Parlaments genehmigt habe und daß bei der österreichischen Regierung alle Fassung verloren sei. In Preußen aber war in der Rheinprovinz und in Westfalen, in Ostpreußen und Schlesien die Stimmung des Volkes dieselbe wie in den kleineren Staaten, und in Berlin entwickelte sich mit dem Anfange des März eine radikale Aufregung der Massen mit täglich anschwellender Energie. Große Volksversammlungen begannen vor der Stadt, zu Hunderten, bald zu Tausenden, mit feurigen Freiheitsreden und rauschenden Beschlüssen;
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