1910 -
Leipzig
: Wunderlich
- Autor: Schmieder, Isidor
- Sammlung: Kaiserreich Geschichtsschulbuecher
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Höhere Lehranstalt
- Geschlecht (WdK): Jungen
128 Otto Fürst v. Bismarck.
Haft, daß wir die Errungenschaften des Feldzuges in ferneren Kriegen
zu verteidigen haben würden, wie Friedrich der Große die Ergebnisse
seiner beiden ersten schleichen Kriege in dem schärferen Feuer des
Siebenjährigen. Daß ein französischer Krieg auf den österreichischen
folgen werde, lag in der historischen Konsequenz, selbst dann, wenn wir
dem Kaiser Napoleon die kleinen Spesen, die er für seine Neutralität
von uns erwartete, hätten bewilligen können. Auch nach russischer Seite
hin konnte man zweifeln, welche Wirkung eintreten werde, wenn man
sich dort klar machte, welche Erstarkung für uns in der nationalen Ent-
Wicklung Deutschlands lag. Wie sich die späteren Kriege um die Be-
hauptung des Gewonnenen gestalten würden, war nicht vorauszusehen;
in allen Fällen aber war es von hoher Wichtigkeit, ob die Stimmung,
die wir bei unseren Gegnern hinterließen, unversöhnlich, die Wunden,
die wir ihnen und ihrem Selbstgefühl geschlagen, unheilbar sein würden.
In dieser Erwägung lag für mich ein politischer Grund, einen trinmphie-
renden Einzug in Wien, nach Napoleonischer Art, eher zu verhüten als
herbeizuführen. In Lagen, wie die uuferige damals war, ist es politisch
geboten, sich nach einem Siege nicht zu fragen, wie viel man dem Gegner
abdrücken kann, sondern nur zu erstreben, was politisches Bedürfnis ist.
Die Verstimmung, die mein Verhalten mir in militärischen Kreisen ein--
trug, habe ich als die Wirkung einer militärischen Ressortpolitik be-
trachtet, der ich den entscheidenden Einfluß auf die Staatspolitik und
deren Zukunft nicht einräumen konnte.
Iii.
Als es darauf ankam, zu dem Telegramm Napoleons vom 4. Juli
Stellung zu uehmeu, hatte der König die Friedensbedingungen so
skizziert: Bundesreform unter preußischer Leitung, Erwerb Schleswig-
Holsteins, Osterreichisch-Schlesiens, eines böhmischen Grenzstrichs, Ost-
srieslands, Ersetzung der feindlichen Souveräne von Hannover, Kur-
Hessen, Meiningen, Nassau durch ihre Thronfolger. Später traten
andere Wünsche hervor, die teils in dem Könige selbst entstanden, teils
durch äußere Einflüsse erzeugt waren. Der König wollte Teile von
Sachsen, Hannover, Hessen annektieren, besonders aber Ansbach und
Bayreuth wieder an sein Haus bringen. Seinem starken und berech-
tigten Familiengesühl lag der Rückerwerb der fränkischen Fürstentümer
nahe.
Ich erinnere mich, auf einem der ersten Hofseste, denen ich in den
dreißiger Jahren beiwohnte, einem Kostümballe bei dem damaligen
Prinzen Wilhelm, diesen in der Tracht des Kurfürsten Friedrich I. ge-
sehen zu haben. Die Wahl des Kostüms außerhalb der Richtung der
übrigen war der Ausdruck des Familiengefühls, der Abstammung, und
selten wird dieses Kostüm natürlicher und kleidsamer getragen worden
sein als von dem damals etwa 37 Jahre alten Prinzen Wilhelm, dessen