1910 -
Leipzig
: Wunderlich
- Autor: Schmieder, Isidor
- Sammlung: Kaiserreich Geschichtsschulbuecher
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Höhere Lehranstalt
- Geschlecht (WdK): Jungen
Nikolsburg. 129
Bild darin mir stets gegenwärtig geblieben ist. Der starke dynastische
Familiensinn war vielleicht in Kaiser Friedrich Iii. noch schärfer aus-
geprägt, aber gewiß ist, daß 1866 der König auf Ansbach und Bayreuth
noch schwerer verzichtete als auf Osterreichisch-Schlesien, Deutsch-
Böhmen und Teile von Sachsen. Ich legte an Erwerbungen von Oster-
reich und Bayern den Maßstab der Frage, ob die Einwohner in etwaigen
Kriegen bei einem Rückzüge der preußischen Behörden und Truppen
dem Könige von Preußen noch treu bleiben, Befehle von ihm annehmen
würden, und ich hatte nicht den Eindruck, daß die Bevölkerung dieser
Gebiete, die in die bayerischen und österreichischen Verhältnisse eingelebt
ist, in ihrer Gesinnung den Hohenzollernschen Neigungen entgegen-
kommen würde.
Das alte Stammland der Brandenburger Markgrafen im Süden
und Osten von Nürnberg etwa zu einer preußischen Provinz mit Nürn-
berg als Hauptstadt gemacht, wäre kaum ein Landesteil gewesen, den
Preußen in Kriegsfällen von Streitkräften entblößen und unter den
Schutz seiner dynastischen Anhänglichkeit hätte stellen können. Die
letztere hat während der kurzen Zeit des preußischen Besitzes keine tiefen
Wurzeln geschlagen, trotz der geschickten Verwaltung durch Hardenberg,
und war seither in der bayerischen Zeit vergessen, soweit sie nicht durch
konfessionelle Vorgänge in Erinnerung gebracht wurde, was selten und
vorübergehend der Fall war. Wenn auch gelegentlich das Gefühl der
bayerischen Protestanten verletzt wurde, so hat sich die Empfindlichkeit
darüber niemals in Gestalt einer Erinnerung an Preußen geäußert.
Übrigens wäre auch nach einer solchen Beschneidung der bayerische
Stamm von den Alpen bis zur Oberpfalz in der Verbitterung, in welche
die Verstümmelung des Königreichs ihn versetzt haben würde, immer als
ein schwer zu versöhnendes und nach der ihm innewohnenden Stärke
gefährliches Element für die zukünftige Einigkeit zu betrachten gewesen.
Es gelang mir jedoch in Nikolsburg nicht, dem Könige meine Ansichten
über den zu schließenden Frieden annehmbar zu machen. Ich mußte
daher Herrn von der Psordten, der am 24. Juli dorthin gekommen
war, nnverrichteter Sache abreisen lassen und mich mit einer Kritik
seines Verhaltens vor dem Kriege begnügen. Er war ängstlich, die
österreichische Anlehnung vollständig aufzugeben, obgleich er sich auch
dem Wiener Einfluß gern entzogen hätte, wenn es ohne Gefahr möglich
war; aber Rheinbunds-Velleitäten, Reminiszenzen an die Stellung, die
die deutschen Kleinstaaten unter französischem Schutze von 1806 bis
1814 gehabt hatten, waren bei ihm nicht vorhanden — ein ehrlicher und
gelehrter, aber politisch nicht geschickter deutscher Professor.
Dieselbe Erwägung wie in betreff der fränkischen Fürstentümer
machte ich Sr. Majestät gegenüber geltend in betreff Österreichisch-
Schlesiens, das eine der kaifertrenesten Provinzen, überdies vorwiegend
flawisch bevölkert ist, und in betreff der böhmischen Gebiete, die der
Schmie der, Lektüre zur Gesch. des 19. Jahrh. g