1910 -
Leipzig
: Wunderlich
- Autor: Schmieder, Isidor
- Sammlung: Kaiserreich Geschichtsschulbuecher
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Höhere Lehranstalt
- Geschlecht (WdK): Jungen
Stellung d. deutschen Kolonialpolitik innerhalb d. kolonialen Bestrebungen usw. 193
sich an zahlreichen Stellen Polynesiens fest. Frankreich begann, freilich
erst im späteren Verlaufe des 19. Jahrhunderts, die Verluste wieder
einzuholen, die es England gegenüber erlitten hatte; es setzte sich in
Hinterindien fest, es machte Erwerbungen in Kochinchina, Kambodscha,
Annam und Tongking und griff mit seinem Einfluß und seinem Erwerbs-
Hunger immer mehr hinweg über den Süden der chinesischen Grenze.
Während so das zivilisierte Europa in dieser Periode im fernen
Osten vor allem durch die wichtigsten damaligen Staaten seines west-
lichen Zentrums und damit durch die doppelte, in sich uneinige und mit-
einander rivalisierende Macht Frankreichs und Englands vertreten war,
näherte sich demselben Osten von Osteuropa her eine einzige, zäh von
Ziel zu Ziel fortschreitende Macht: Rußland. Die Moskowiter hatten
1552 Khasan und 1554 Astrachan erobert; 1587 war ihr Einfluß bis
Tobolsk vorgeschoben, 1604 bis Tomsk; Jrkutsk wurde 1632 erreicht
und Jakntsk und Ochotsk 1637 und 1638; um 1707 war man herrschend
bis Kamtschatka vorgedrungen, und nun folgte, vornehmlich freilich erst
mit etwa der Mitte des 19. Jahrhunderts, eine Wendung nach den
Südgebieten des asiatischen Kontinents hin: wie der Russe zu sagen
pflegt, hin zu den warmen Meeren. Es war eine stetige, ungeheure,
mit der Wucht des Schicksalsmäßigen auftretende Vergrößerung, die
man wohl auf eine bestimmte Anzahl von Geviertmeilen für das Jahr
hat berechnen wollen; und feit der Mitte des 19. Jahrhunderts war
sie derart nach Süden zu fortgeschritten, daß ihre spätere Berührung mit
dem von Süden nach Norden verlaufenden Vordringen Englands und
Frankreichs wahrscheinlich wurde.
Bahnten sich damit ohne weiteres schwere Verwicklungen an, wie
sie zunächst freilich nur in dem noch heute wichtigsten und die Politik
des fernen Ostens an erster Stelle beherrschenden Gegensatze zwischen
England einerseits und Rußland und Frankreich andererseits zum
Ausdruck gelangten, so wurde in einer dritten und jüngsten Periode,
die erst um wenige Jahrzehnte zurückreicht, das Bild noch viel belebter.
Denn jetzt traten drei neue starke und modern expansive Mächte in
den Wettbewerb um die Kolonisation und Kultivation, ja in abgeschwäch-
tem Siune auch um die Handelshegemonie des Ostens ein: Japan, das
Deutsche Reich und die Vereinigten Staaten.
Das Moment, das die Bestrebungen dieser neuen Mächte unter-
einander verknüpft, ist, daß sie die Stelle, an der vermutlich einmal die
Entscheidung über die Hegemonie des fernen Ostens fallen wird, China,
nicht so sehr, wie zunächst England, Frankreich und Rußland, von Süden
und Westen her und zu Lande erreichen können, wie vielmehr zur See
und vom Osten aus. In dieser Sachlage ist es gegeben, zumal auch die
europäischen Ost- und Westmächte zugleich und teilweise vornehmlich
als Seemächte in Betracht kommen, daß innerhalb des chinesischen
Machtbereiches es wieder die Küstenländer und die sie umspülenden
Schmied er, Lektüre zur Gesch. des 19. Jahrh. 1z