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1. Das Altertum - S. 73

1913 - Leipzig : Wunderlich
— 73 — nach seiner Regentenpflicht gehandelt hat und der, wenn er auf sein Leben zurücksah, wohl falsche Berechnungen zu bedauern, aber keinen Fehltritt der Leidenschaft zu bereuen fand. Es ist nichts in Cäsars Lebensgeschichte, das auch nur im Kleinen sich vergleichen ließe mit jenen poetisch-sinnlichen Aufwallungen, mit der Ermordung des Kleitos oder dem Brand von Perfepolis, welche die Geschichte von seinem großen Vorgänger im Osten berichtet. Er ist endlich vielleicht der einzige unter jenen Gewaltigen, der den staatsmännischen Takt für das Mögliche und Unmögliche bis an das Ende feiner Laufbahn sich bewahrt hat und nicht gescheitert ist an derjenigen Ausgabe, die für großartig angelegte Naturen von allen die schwerste ist, an der Aufgabe, auf der Zimte des Erfolgs dessen natürliche Schranken zu erkennen. Was möglich war, hat er geleistet und nie um des unmöglichen Besseren willen das mögliche Gute unterlassen, nie es verschmäht, unheilbare Übel durch Palliative wenigstens zu lindern. Aber wo er erkannte, daß das Schicksal gesprochen, hat er immer gehorcht. Alexander am Hyphasis, Napoleon in Moskau kehrten um, weil sie mußten, und zürnten dem Geschick, daß es auch seinen Lieblingen nur begrenzte Erfolge gönnt; Casar ist an der Themse und am Rhein freiwillig zurückgegangen und gedachte auch an der Donau und am Euphrat nicht ungemessene Pläne der Weltüberwinbung, sonbern bloß wohlerwogene Grenzregulierungen ins Werk zu setzen. So war dieser einzige Mann, den zu schildern so leicht scheint und doch so unendlich schwer ist. Seine ganze Natur ist durchsichtige Klarheit; und die Überlieferung bewahrt über ihn ausgiebigere und lebendigere Kunde als über irgend einen feiner Pairs in der antiken Welt. Eine solche Persönlichkeit konnte wohl flacher oder tiefer, aber nicht eigentlich verschieden aufgefaßt werden; jedem nicht ganz verkehrten Forscher ist das hohe Bild mit denselben wesentlichen Zügen erschienen, und doch ist dasselbe anschaulich wiederzugeben noch keinem gelungen. Das Geheimnis liegt in dessen Vollendung. Menschlich wie geschichtlich steht Cäsar in dem Gleichungspunkt, in welchem die großen Gegensätze des Daseins sich ineinander aufheben. Von gewaltigster Schöpferkraft und doch zugleich vom durchdringendsten Verstände; nicht mehr Jüngling und noch nicht Greis; vom höchsten Wollen und vom höchsten Vollbringen; erfüllt von republikanischen Idealen und zugleich geboten zum König; ein Römer im tiefsten Kern seines Wesens und wieder berufen, die römische und die hellenische Entwicklung in sich wie nach außen hin zu versöhnen und zu vermählen, ist Cäsar der ganze und vollständige Mann. Darum fehlt es denn auch bei ihm mehr als bei irgend einer anderen geschichtlichen Persönlichkeit an den sogenannten charakteristischen Zügen, welche ja doch nichts anderes sind als Abweichungen von der naturgemäßen menschlichen Entwicklung. Was dem ersten oberflächlichen Blick dafür gilt, zeigt sich bei näherer Betrachtung nicht als Individualität, sondern als Eigentümlichkeit der Kulturepoche oder der Nation; wie denn
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